Erst sechs Wochen später als bisher üblich hat Bildungsminister
Tullner der Öffentlichkeit endlich einige Daten über die Organisation
des neuen Schuljahres präsentiert und lässt sich damit in seine bisher
verdeckt gehaltenen Karten schauen. Zu den Fakten und den zunehmenden
Meldungen über die realen Zustände in vielen Schulen des Landes erklärt
der bildungspolitische Sprecher der Fraktion, Thomas Lippmann (Foto):
"Minister Tullner hatte gute Gründe, den Mantel des Schweigens möglich
lange über die Ergebnisse seiner verfehlten Personalpolitik zu legen.
Trotz der größten Welle von Stundenkürzungen vor allem an Grund-,
Sekundar- und Gemeinschaftsschulen und der zusätzlichen rücksichtslosen
Heranziehung der noch in der Ausbildung befindlichen Lehrkräfte im
Vorbereitungsdienst zu eigenverantwortlichem Unterricht ist es ihm nicht
gelungen, die schlechte Unterrichtsversorgung des letzten Schuljahres zu
verbessern. Im Gegenteil: Mit dem vorhandenen Stammpersonal kann nur
wenig mehr als 96% des Bedarfs nach den Vorgaben aus dem vergangenen
Schuljahr gedeckt werden.
Die Zahlen für die Unterrichtsversorgung konnten nur dadurch optisch
aufgebessert werden, weil den Schulen fast 10.000 Unterrichtsstunden gar
nicht erst zugewiesen wurden. Das ist ein Volumen von etwa 385
Vollzeitstellen. Zwar stehen gegenüber dem September 2016 heute 60
Stammlehrkräfte mehr im Dienst des Landes, diese können aber das
gleichzeitig Ausscheiden der 185 befristet eingestellten
Sprachlehrkräfte nicht kompensieren. Darüber stehen immer mehr
Lehrkräfte durch Elternzeit, Mutterschutz und Langzeiterkrankungen nicht
für einen Einsatz in der Schule zur Verfügung.
Minister Tullner hat gemessen am tatsächlichen Bedarf zum
Schuljahresbeginn hunderte Stellen zu wenig ausgeschrieben. Zusammen mit
seinem Festhalten an einer längst überholten Ausschreibungspraxis hat er
so an vielen Schulen ein Personalchaos erzeugt, wie es dieses Land noch
nicht erlebt hat. Dass Schulen noch Wochen nach dem Schuljahresstart mit
reduzierten Notplänen arbeiten müssen und Eltern von Erstklässlern
aufgefordert werden, ihre Kinder bis auf Widerruf möglichst zu Hause zu
betreuen, offenbart eine Dimension des Mangels, die vor der Amtszeit von
Minister Tullner noch undenkbar war.
Das Arbeitsvolumen, das für die Arbeit im Klassenzimmer tatsächlich zur
Verfügung steht, ist entgegen den Behauptungen von Finanzminister
Schröder und Bildungsminister Tullner nicht um 140 oder 200 Lehrkräfte
gestiegen, was allein schon wegen der gestiegenen Schülerzahl notwendig
gewesen wäre, sondern es ist erneut um fast 200 Lehrkräfte gesunken und
hat damit einen historischen Tiefststand erreicht. Von einer Wende in
der Personalpolitik kann keine Rede sein. Auch die Prognosen über die
Entwicklung der Schülerzahlen und insbesondere über die Zahl
ausländischer Schüler mit Sprachförderbedarf haben sich als haltlos
erwiesen. Die Bilanz zeigt, dass zum wiederholten Mal für deutlich mehr
Schüler deutlich weniger Lehrkräfte zur Verfügung stehen und die gesamte
Unterrichtsversorgung auf Sand gebaut ist.
Mit ihrer Unterstützung für die Volksinitiative "Den Mangel beenden! [-]
Unseren Kindern Zukunft geben!" haben viele zehntausend Bürgerinnen und
Bürger gezeigt, dass sie nicht bereit sind, diese Zustände an den
Schulen weiter hinzunehmen. Die berechtigten Forderungen der
Volksinitiative werden von der Fraktion Die LINKE vorbehaltlos
unterstützt. Die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen sind damit
nachdrücklich aufgefordert, ihre bisherige Politik der
Personalreduzierung in den Schulen aufzugeben und wieder für eine
Personalausstattung zu sorgen, die dem realen Bedarf entspricht. Dazu
muss die Landesregierung für das Jahr 2018 einen Nachtragshaushalt
vorlegen.
Magdeburg, 12. September 2017