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Stiftung Warentest - Tacho­betrug: Wie Käufer von Gebraucht­wagen ihr Risiko begrenzen

Stimmt der Tacho? Vor dieser Frage steht jeder, der einen Gebraucht­wagen kaufen will. Bei einem von drei Angeboten ist der Kilo­meter­stand zurück­gedreht, oft um mehr als 100 000 Kilo­meter, schätzt die Polizei. Die Manipulation ist strafbar – doch leider auch kinder­leicht. Käufer können ihr Risiko aber eingrenzen. Finanztest erklärt, worauf sie dabei achten sollten.

Es dauert nur ein paar Sekunden

Die Manipulation ist kinder­leicht. Der Betrüger schließt ein kleines Gerät an die OBD2-Schnitt­stelle des Pkw an – den Zugang zum elektronischen Innenleben des Pkw. Dort kann die Werk­statt Dutzende Sensoren auslesen für Motor, Getriebe, Fahr­werk, Airbags und vieles mehr. Da lässt sich auch der Tacho­stand verstellen, in Sekunden, mit wenigen Klicks. Die Geräte gibt es im Internet schon für 149 Euro. Wer ein Auto verkaufen will, kann Gauner, die dies als Service bieten, auch zu sich nach Hause bestellen.

Die Manipulation ist strafbar. Die Betrüger können dennoch offen auftreten, denn die Geräte haben auch eine legale Funk­tion. Ist ein Tacho kaputt und wird gegen einen gebrauchten ausgetauscht, stimmt der Kilo­meter­stand nicht mit dem des Pkw über­ein. Die Geräte helfen, ihn passend einzustellen. Doch Tachodefekte sind extrem selten. Und meist ist eine Reparatur preisgüns­tiger als ein Austausch.

Unser Rat

Seriös. Kaufen Sie nur bei einem seriösen Händler oder Privatverkäufer, der einen verläss­lichen Eindruck macht. Besichtigen Sie das Auto nicht allein, sondern möglichst mit einem Fachmann. Wir empfehlen, das Auto während der Probefahrt in einer Werk­statt prüfen zu lassen.

Aufpassen. Service­heft, Tüv-Berichte und Rechnungen der Werk­statt sollten vorliegen. Schon kleine Hinweise, dass etwas nicht stimmt, sind Grund genug, nicht zu kaufen.

Kilo­meter. Lassen Sie sich die Lauf­leistung schriftlich zusichern. Für einen Erst­besitzer, der privat verkauft, sollte das kein Problem sein.

Nach­träglich. Wenn Sie schon gekauft haben und nun den Verdacht auf Tacho­betrug haben, sollten Sie rasch in einer Vertrags­werk­statt die Fahr­zeug­historie prüfen lassen.

3 000 Euro Mehr­erlös pro Pkw

Dass trotzdem so viele „Tachojustierer“ unterwegs sind, hat einen einfachen Grund: Der Mehr­erlös beträgt im Schnitt 3 000 Euro pro Auto. Den Schaden haben die Käufer, oft sogar doppelt. Über­ziehen sie wegen des nied­rigen Tacho­stands ein Wartungs­intervall, kann es einen Motordefekt geben. Außerdem kann, wenn der Wagen mehr gelaufen ist, als auf dem Tacho steht, der Versicherer nach einem Unfall mit Totalschaden die Entschädigung kürzen, berichtet Klaus Prochorow, Betrugs­experte des Versicherers Signal Iduna.

Gefälschte Tachos und Service­hefte

Die Täter sind oft obskure Auto­schieber, aber auch Kfz-Händler. In Frank­furt am Main flog ein 44-Jähriger auf, der den Tacho­stand und die Service­hefte gefälscht hatte. Einem Händler in Bochum wies der Staats­anwalt 13 Fälle von Tacho­betrug nach. In Neustadt an der Wein­straße hatte eine Bande Tachos und Service­hefte gefälscht.

ADAC: Betrug oft nicht nach­weisbar

Früher flog der Betrug oft auf, weil die Täter lediglich den Tacho verstellten. Dabei zeichnen in modernen Pkw jede Menge weiterer Steuergeräte ebenfalls Tacho­stände auf, etwa der Zähler für Wartungs­intervalle. Sie wurden oft nicht zurück­gedreht. Reinhard Kolke, Leiter des ADAC-Technik-Zentrums, warnt: „Heute verstellen Betrüger selbst mit Billiggeräten auch die übrigen Steuergeräte.“ Sie erhalten monatliche Updates für ihre Schummelsoftware. „Wenn sie gut arbeiten, ist nichts zu erkennen.“

Es gibt keine belast­baren Zahlen

Das geht selbst der Polizei so. Genaue Zahlen hat sie nicht. Sie schätzte 2011 die Zahl der Betrügereien auf ein Drittel, weil bei Razzien in München ein Drittel der Pkw gefälschte Papiere hatten, nicht weil ihre Experten so viele manipulierte Tachos nach­weisen konnten. Doch ob man diesen alten Münchner Befund wirk­lich bundes­weit hoch­rechnen kann, bezweifeln Experten. Ansgar Klein, geschäfts­führender Vorstand des Bundes­verbands freier Kfz-Händler, geht eher von weniger als 10 Prozent aus. Wie viele es wirk­lich sind, weiß niemand.

Garantie gegen Tacho­betrug

Einen Tacho­betrug sicher nach­zuweisen, ist schwierig. Ansgar Klein, geschäfts­führender Vorstand des Bundes­verbands freier Kfz-Händler (BVfK), sagt: „Aber ein erfahrener Händler erkennt viele kleine Indizien.“ Beispiele: Die Schaltung fühlt sich weicher an, als der Tacho­stand erwarten ließe, der Blinkerhebel rastet nicht fest ein, Scheinwerfer und Front­scheibe sind stark verkratzt. „Ist der Gesamt­eindruck verdächtig, kauft ein guter Händler das Auto nicht an“, sagt Klein.

Da ist er so sicher, dass sein Verband Käufern eine Garantie gegen Tachomanipulation gibt. Stellt sich heraus, dass der Kilo­meter­stand gefälscht ist, dürfen sie das Auto zurück­geben. Doch das ist bisher selten passiert: „In etwa zehn Jahren hatten wir erst fünf Fälle“, berichtet Klein. Allerdings sind BVfK-Betriebe dünn gesät. Der Verband zählt nur 800 Mitglieder, während es bundes­weit rund 10 000 freie Kfz-Händler gibt.

Risiko begrenzen

Was also tun als Käufer eines Gebraucht­wagens? Es gibt Wege, das Risiko einzugrenzen, wie unsere Tipps zeigen.

Tipps für Käufer

Kauf­vertrag. Wichtig ist eine verbindliche Zusicherung des Kilo­meter­stands. Zusätze im Vertrag wie „soweit bekannt“, „laut Vorbesitzer“ oder „wie abge­lesen“ sollte der Käufer streichen. Im Vertrag sollte stehen: „Der Tacho­stand entspricht der tatsäch­lichen Lauf­leistung des gesamten Fahr­zeugs.“ Jurist Herbert Engelmohr vom „Auto­mobilclub von Deutsch­land“ rät: „Käufer sollten versuchen, so eine Formulierung durch­zusetzen. Viele Händler sind dazu aber nicht bereit, da sie die Vorgeschichte des Pkw oft nicht kennen.“

Service­heft. Der Käufer sollte nach dem Service­heft, auch Check­heft oder Scheck­heft genannt, fragen. Die Antwort „Habe ich nicht“ ist ein Grund, das Auto nicht zu kaufen. Aber Vorsicht: Kriminelle fälschen auch Service­hefte. Ein Hinweis: Das Heft ist Jahre alt, aber alle Stempel sehen gleich aus. Stempeltusche verändert sich mit der Zeit, sodass Schwär­zung und Kontrast abweichen.

Belege. Rechnungen der Werk­statt und Tüv-Berichte sollten vorliegen, am besten auch Zettel früherer Ölwechsel. Meist sind dort Tacho­stände einge­tragen. Sind die Zeit- und Kilo­meter­abstände plausibel? Oder wurde in einer Zeit­periode auffallend wenig gefahren?

Ölwechsel. Meist hängt im Motorraum ein Kärt­chen vom letzten Ölwechsel. Stehen dort 120 000 km, aber auf dem Tacho 95 000 km, ist die Manipulation offensicht­lich.

Schnäpp­chen. Niemand hat Geld zu verschenken. Jeder Verkäufer kann sich im Internet leicht informieren, welche Preise er erzielen kann. Bietet er das Auto extrem günstig an, ist das verdächtig.

Einrichtung. Starker Verschleiß an Sitzen, Lenk­rad, Schalt­hebel oder Pedalen deutet auf intensive Nutzung hin. Ist alles okay, heißt das aber nicht viel. Die Gummis zu tauschen und die Sitze aufzupolieren, kostet wenig.

Vorbesitzer. In der Zulassungs­bescheinigung Teil 2 (Fahr­zeug­brief) stehen die Vorbesitzer. Dort erfahren Käufer den letzten Tacho­stand.

Haltedauer. Kann ein privater Verkäufer, der nach kurzer Zeit verkauft, einen vernünftigen Grund dafür nennen?

Vertrauen. Macht der Verkäufer einen seriösen Eindruck? Oder preist er das Auto allzu eloquent an? Kann er Fragen plausibel beant­worten oder präsentiert er Ausreden?

Historie. Meist war der Wagen bereits in einer Vertrags­werk­statt. Dann sind dort in der Pkw-Historie Tacho­stände hinterlegt. Doch manche Hersteller verweigern die Auskunft.

Check. Einen gut gemachten Tacho­betrug kann auch eine Werk­statt kaum aufdecken. Aber sie kann bei einem Gebraucht­wagencheck grobe Macken des Pkw finden. Das bietet zum Beispiel der Tüv-Nord für 89 Euro an.

Junge Gebrauchte. Vor allem Jahres­wagen und Leasingfahr­zeuge sind teuer. Bei ihnen lohnt sich Betrug am meisten. Doch auch bei güns­tigen Autos über­trifft der höhere Verkaufs­preis die Kosten fürs Zurück­drehen.

Tachoschutz lässt auf sich warten

Nötig wäre es, Autos gegen den Betrug zu sichern. Die Hersteller zeigen daran kein Interesse. Schließ­lich entsteht ihnen kein direkter Schaden. Ähnlich die Leasingfirmen: Sie verkaufen das Auto einfach zu dem Preis weiter, den es mit gefälschtem Tacho bringt. Immerhin bewegt die Europäische Union etwas. Seit September 2017 müssen neue Pkw-Modelle einen Tachoschutz haben – allerdings nur neu entwickelte Typen. Sind die Modelle bereits auf dem Markt, dürfen neue Pkw ohne Schutz ausgeliefert werden.

Wie kann man Betrügern das Hand­werk legen?

Einige Länder sind beim Käufer­schutz weiter. Wenn in Belgien ein Auto in die Werk­statt kommt, gibt der Mechaniker den Kilo­meter­stand an die Organisation „CarPass“ weiter. Damit liegt für jeden Pkw eine beleg­bare Historie vor. Wer ein gebrauchtes Auto verkauft, muss den Pass vorlegen. Ein ähnliches System gibt es in den Nieder­landen. Auch in Deutsch­land gibt es verschiedene Lösungs­ansätze, um den Betrügern das Hand­werk zu legen. Wir stellen vier vor:

1. CarPass: Das in Belgien erprobte System will CarPass schon bald auch in Deutsch­land anbieten. Auto­besitzer können dann im Internet unter Car-pass.de die Fahr­gestell­nummer eintippen. Beim nächsten Werk­statt­besuch kann der Monteur den Tacho­stand ins System eingeben, ebenso weitere Kilo­meter­stände, etwa aus Tüv-Berichten. „Wir koope­rieren mit rund 90 Prozent der Werk­stätten“, erklärt Wolf­ram Stein, einer der Geschäfts­führer der CarPass-Gruppe.

2. Chip: Der ADAC favorisiert einen manipulations­sicheren Chip, der fest im Auto einge­baut ist. „Das kostet nur 1 Euro“, erklärt ADAC-Experte Reinhard Kolke. Von Daten­banken wie CarPass hält der Auto­club nichts. Der Tacho könne schon vor dem ersten Eintrag zurück­gedreht sein. Und der erfolge womöglich erst beim ersten Tüv nach drei Jahren. Leasing­autos sind dann oft schon 150 000 Kilo­meter gelaufen. Gerade mit ihnen lohnt sich der Betrug. Beim Leasing wird ein Kilo­meter­limit vereinbart. Wer am Tacho dreht, kann es deutlich über­ziehen. Mancher Betrüger verstellt monatlich den Tacho. Damit gelangen bei jedem Werk­statt­besuch falsche Daten ins Service­heft. Das kann selbst ein Vertrags­händler kaum entdecken. Für private Kunden bietet der Kauf beim Vertrags­händler zwar ein hohes Maß an Sicherheit. Doch ausgeschlossen ist diese Art Tacho­betrug auch dann nicht ganz.

3. Ultra­schall: Ein Spezial­verfahren hat der Maschinenbau­techniker Michael Schmutzenhofer entwickelt. Er untersucht den Motor mit Ultra­schall – eine Technik, die bei Groß­anlagen in der Industrie etabliert ist. Die beweglichen Motorteile verursachen ein typisches Geräusch, je nach Verschleiß­grad. „Das funk­tioniert in einigen Fällen erstaunlich gut“, berichtet Thomas Schuster, Sach­verständiger der Kraft­fahr­zeug-Über­wachungs­organisation freiberuflicher Kfz-Sach­verständiger. Er hat es an zehn Pkw getestet. Siebenmal lag der „Tacho-Spion“ nah am wahren Kilo­meter­stand. Zweimal betrug die Abweichung unter 20 000 Kilo­meter. Aber einen VW mit 180 000 Kilo­metern schätzte der Spion auf weniger als 100 000 Kilo­meter. Ein Problem ist, dass das System Referenz­werte braucht – von gleichen Autos mit gleicher Lauf­leistung. „Der Rück­schluss auf die Kilo­meter ist eher vage“, meint Schuster: „Aber das System ist gut geeignet, den Verschleiß des Motors fest­zustellen.“

4. Carly: Eine andere Lösung bietet die Firma Carly aus München. Sie verkauft einen Stecker für die OBD2-Schnitt­stelle. Damit kann der Kunde selber die Sensoren und Fehler­speicher seines Autos auslesen. So kann er zumindest die Manipulationen finden, bei denen die Betrüger nicht alle elektronischen Speicher zurück­gestellt haben.

Käufer kann Auto zurück­geben

Wer bereits Opfer eines Tacho­betrugs wurde, kann eventuell das Auto zurück­geben. Entscheidend ist, was im Kauf­vertrag steht. Dort muss der Kilo­meter­stand verbindlich angegeben sein. Formulierungen wie „Fahr­leistung laut Vorbesitzer“ oder „Tacho­stand wie abge­lesen“ machen die Angabe unver­bindlich, ebenso der Zusatz „soweit bekannt“. Solche Zusätze gelten vor Gericht als Hinweis, dass der Verkäufer gerade nicht für die Richtig­keit des Kilo­meter­standes einstehen will, entschied der Bundes­gerichts­hof (BGH, Az. VIII ZR 191/15). Viele Vertrags­formulare sehen solche Zusätze vor. Für Verkäufer ist das gut. Für Käufer ist es besser, wenn sie fehlen. Dann nämlich können sie das Auto zurück­geben oder eine Preis­minderung verlangen. Das gilt auch, wenn der Verkäufer vor Zeugen erklärt, der abge­lesene Kilo­meter­stand sei „echt“ (Ober­landes­gericht Koblenz, Az. 5 U 1385/03).

„Gekauft wie gesehen“ greift nicht

Dann hilft dem Verkäufer die übliche Vertrags­klausel „Gekauft wie gesehen unter Ausschluss jeglicher Gewähr­leistung“ nicht. Dieser Ausschluss greift nicht für Merkmale, die er zusichert, wie etwa Baujahr oder Zahl der Vorbesitzer (BGH, Az. VIII ZR 92/06). Keine Rolle spielt es, wenn er von dem Betrug nichts wusste, weil schon ein Vorbesitzer am Tacho gedreht hat. Er muss das Auto zurück­nehmen. Denn für verbindliche Angaben haften Verkäufer verschuldens­unabhängig.

Manche Betrüger schalten Zwischenhändler ein

Einige Gebraucht­wagenhändler verschleiern eine Tachomanipulation, indem sie Zwischenhändler einschalten. Zwischenhändler müssen sie dem Kunden nennen, denn dann liegt der Verdacht auf Tacho­betrug nahe, urteilte der BGH (Az. VIII ZR 38/09). In dem Fall hatten sich mehrere Händler einen Audi A6 durch­gereicht. Am Ende standen nicht 340 000 Kilo­meter auf dem Tacho, sondern nur 201 000.

Nach dem Kauf schnell sein

Die Käufer eines Gebraucht­wagens sollten sich schnell beim Verkäufer melden, wenn sie fest­stellen, dass verbindliche Zusagen nicht einge­halten sind. In den ersten sechs Monaten nach dem Kauf geht das Gewähr­leistungs­recht davon aus, dass ein fest­gestellter Mangel bereits beim Kauf vorhanden war. Dann kann der Käufer den Wagen zurück­geben. Dem Verkäufer Betrug nach­zuweisen, ist dagegen häufig aussichts­los. Zwar gilt bei arglistiger Täuschung eine dreijäh­rige Verjährungs­frist. Aber wenn es Vorbesitzer gibt, kommen mehrere als Täter infrage.