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Die Linke, Henriette Quade

Fraktion DIE LINKE: Für eine progressive Wende in der Politik der öffentlichen Sicherheit

Magdeburg, den 7. Juni 2018

DIE LINKE veröffentlicht Forderungskatalog zur Innenministerkonferenz in Quedlinburg

Anlässlich der Innenministerkonferenz (IMK) in Quedlinburg lud die Landtagsfraktion DIE LINKE gestern zu einer Veranstaltung unter dem Titel „Sicherheit für Alle! LINKE Alternativen zu Law & Order“ ein. Mit profilierten Innenpolitikerinnen der LINKEN wie Juliane Nagel (MdL Sachsen), Martina Renner (MdB Thüringen), Kristina Vogt (MdBB Bremen) und unserer Abgeordneten Henriette Quade (Foto) wurde der IMK als Kristallisationspunkt der Innen-, Sicherheits-, und Bleiberechtspolitik ein deutlicher Kontrapunkt entgegengesetzt. 

Mit der von Bundesinnenminister Horst Seehofer angekündigten Vorbildwirkung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes für das Musterpolizeigesetz des Bundes drohen die massivsten Grundrechtseinschränkungen der bundesrepublikanischen Geschichte. Dagegen richtet sich Kritik und Widerstand der LINKEN wie vieler weiterer Initiativen und Menschen. 

Für eine progressive Wende in der Politik der öffentlichen Sicherheit wurde im Rahmen der Veranstaltung ein Forderungskatalog der LINKEN zur IMK veröffentlicht. DIE LINKE steht für Grundrechtsschutz statt für ein Musterpolizeigesetz nach bayerischem Vorbild, für Humanität und Menschenwürde statt AnKERzentren, für Datenschutz statt Sammelwut und für eine föderale Sicherheitsarchitektur statt einer Superbehörde.


Forderungskatalog DIE LINKE zur IMK am 6. Juni 2018 in Quedlinburg
Für eine progressive Wende in der Politik der öffentlichen Sicherheit


Grundrechtsschutz statt Musterpolizeigesetz nach bayerischem Vorbild! 

Die Innenministerkonferenz (IMK) beschäftigt sich in ihren Gremien seit Juni 2017 mit der Erarbeitung eines Musterpolizeigesetzes. Erste Ergebnisse werden für den Herbst erwartet. Angestrebt werden gemeinsame gesetzliche Standards und eine effektive Erhöhung der öffentlichen Sicherheit. Angesichts der Bestrebungen in Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und nicht zuletzt Sachsen für eine Reform der Landespolizeigesetze ¬droht aus bürgerrechtlicher Sicht ein Wettlauf um die drastischsten Einschränkungen von Freiheitsrechten. Dringend überfällig ist eine Kurskorrektur bei den politischen Grundsätzen neuer Landespolizeigesetze: auch der Schutz von Grundrechten ist Aufgabe der Polizei. Erst mit der Garantie und Wahrung von Grundrechten kann Demokratie mit Leben gefüllt werden. Statt polizeiliche Befugnisse ins Uferlose auszuweiten, braucht es wirksame Begrenzungen polizeilicher Datensammlung und -weitergabe, eine individuelle Kennzeichnungspflicht für den Einzeldienst wie für den geschlossenen Einsatz, die Etablierung von unabhängigen Polizeibeauftragten, das Verbot von Pfefferspray als Zwangsmittel und den Verzicht auf Elektroimpuls-Distanzwaffen (sog. Taser). 

Humanität und Menschenwürde statt AnKERzentren! 

Der Bundesinnenminister versucht im bayerischen Wahlkampf mit der Errichtung sogenannter 
AnKER-Zentren zu punkten. Nach den letzten Aussagen sollen hier 1.000 – 1.500 Menschen bis zu einer Entscheidung über ihren Asylantrag festgehalten und jegliche Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse unterbunden werden. Dies zielt auch auf eine Zermürbung von Geflüchteten, die so zur vermeintlich freiwilligen Ausreise gedrängt werden sollen. Selbst Kinder und Jugendliche sollen in diesen neuen Lagern für Erwachsene bis zu 18 Monate von Teilhabe und Integration sowie guter Bildung ferngehalten werden. Ein effektiver Schutz ihrer Kinderrechte ist so nicht möglich, stattdessen ist mit einer erheblichen Gefährdung des Kindeswohls unter staatlicher Aufsicht zu rechnen. Die Bundesländer müssen diesem inhumanen und integrationsfeindlichen Angriff auf die Grund- und Menschenrechte von Geflüchteten Einhalt gebieten. Die Erfahrungen bei der Unterbringung von Flüchtlingen in großen Aufnahmeeinrichtungen in den vergangenen Jahren hat gezeigt: der Schutz von besonders gefährdeten Geflüchteten ist hier kaum möglich, die Unterbringung in solchen Zwangsverhältnissen befördert Spannungen und Gewalt. Unter dem hohen Druck auf das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat vor allem die Qualität der Entscheidungen gelitten – was lange verwaltungsgerichtliche Verfahren und fortgesetzte Unsicherheit nach sich zieht. Auch dieser Druck würde in den AnKER-Zentren noch weiter zunehmen.

Datenschutz statt Sammelwut! 

Bund und Länder befinden sich in der Umsetzung des Konzepts „Polizei 2020“. Gemeinsam mit anderen teuren Großprojekten soll der Datenverbund von Bundes- und Landeskriminalämtern in eine neue Dimension geführt werden. Der Datenschutz bleibt dabei auf der Strecke. Weiterhin fehlen klare Vorgaben für eine Speicherung der Daten von Personen, die nicht straffällig geworden sind. Durch die Reform des Bundeskriminalamtsgesetzes können Daten zu längst eingestellten Strafverfahren über Jahrzehnte gespeichert bleiben. Zugleich hat bislang nur eine kleine Minderheit der Bundesländer die ab dem 25. Mai gültige Datenschutzrichtlinie der EU umgesetzt – das Bundeskabinett berät dazu erst jetzt einen ersten Entwurf. Selbstverständlich sollen Landespolizeien Daten und Erkenntnisse austauschen können, wo dies erforderlich ist. Dies setzt aber ein einheitliches Datenschutzniveau bei allen Beteiligten und eine regelmäßige und restriktive Prüfung der Datenbestände voraus. Hier ist die IMK gefordert, einheitliche Standards zu verabreden.

Föderale Sicherheitsarchitektur statt Superbehörde! 

Mit der seit Jahren rasant steigenden personellen Ausstattung der Polizeien des Bundes, dem Zuwachs ihrer Befugnisse und nun mit den Verabredungen des Koalitionsvertrags zur Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern wird faktisch und rechtlich der Weg zu einer Zentralisierung der Sicherheitsarchitektur beschritten. Wir als LINKE halten hingegen an der föderalen Struktur gerade der Polizei fest. Die Ziele bürgernaher und transparenter Polizeiarbeit lassen sich nicht mit einer Superbehörde auf Bundesebene verwirklichen, Polizei muss eine Einrichtung vor Ort sein, deren Arbeit – wie das der Exekutive insgesamt – auch vor Ort durch Landesparlamente kontrolliert werden kann. Die IMK ist dazu aufgerufen, die föderale Organisation der Polizeien und Sicherheitsbehörden zu sichern, statt der Bundesregierung die Steuerung einer zunehmend zentralisierten Polizei mit allen damit verbundenen Gefahren zu ermöglichen. Wenn die Koalition im Bund sich darauf verständigt, dass die Länder 7.500 neue Stellen bei der Polizei zu schaffen haben, stellt das eine Anmaßung dar, die endlich deutliche Stellungnahmen seitens der Länder erfordert, in deren Zuständigkeit hier eingegriffen wird. Vor die Verabredung neuer Stellen muss auch hier zunächst geklärt sein, für welche Aufgaben neue Stellen geschaffen werden sollen.

“Geschlossene Gesellschaft” - IMK

By the way, die Innenministerkonferenz nimmt politische Weichenstellungen mit großer Reichweite, aber jenseits aller parlamentarischen Kontrolle vor. Erst seit wenigen Jahren wird überhaupt auf jeder IMK-Tagung beschlossen, welche der vorliegenden Berichte und Beschlüsse veröffentlicht werden. Zumindest den Parlamenten müssen diese Dokumente umfassend zugänglich sein. Die Rechenschaftspflicht der Landesinnenminister gegenüber den jeweiligen Landesparlamenten zu ihrem Agieren in der IMK muss gestärkt werden. Die Sicherheitsarchitektur und Innenpolitik der Bundesrepublik dürfen nicht im Verborgenen verabredet werden.