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Christian Lindner  Martin Rulsch  1

FDP / LINDNER-Interview: Keine Lösung in der Sache

19. Juni 2018


Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner (Foto) gab dem „Münchner Merkur“ (Dienstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Maximilian Heim:

Frage: Die Kanzlerin ringt um eine europäische Lösung, die CSU hält sich bis Anfang Juli zähneknirschend zurück. Ist das der „wachsweiche“ Kompromiss, den Sie prognostiziert haben?

Lindner: Nicht einmal das. Verkündet wurde ein Waffenstillstand, aber keine Lösung in der Sache. Es ist ein Witz, dass bei abgelehnten Asylbewerbern das Wiedereinreise-Verbot durchgesetzt werden soll. Ich hätte das für eine Selbstverständlichkeit gehalten. Die Ultimaten und Drohungen der CSU haben Chaos gestiftet, aber nichts bewegt.

Frage: Löwen, die röhren, beißen nicht?

Lindner: Offensichtlich. Dennoch bin ich froh, dass die CSU zur Vernunft gekommen ist. Nachdem die Partei drei Jahre in Berlin alles mitgetragen hat, kann man nicht wegen einiger Tage eine Regierungskrise provozieren. Das wäre verantwortungslos. Klar ist aber, dass eine Wende in der Einwanderungs- und Asylpolitik überfällig ist. Deutschland kann nicht länger die Hauptlast tragen.

Frage: Das heißt?

Lindner: Wir brauchen die europäische Lösung, von der Frau Merkel seit Jahren spricht. Gemeinsames Asylrecht, schlanke Verfahren, Kontrolle der EU-Außengrenzen. Damit wir dahin kommen, muss Deutschland ankündigen, dass wir in jedem Fall unsere Politik ändern werden. Wir müssen notfalls Menschen, die in einem anderen EU-Staat registriert wurden, zurückweisen – wie das bis Sommer 2015 Praxis war. Das würde auch den Einigungsdruck in der EU erhöhen. Nur: Merkel und Seehofer haben sich so verkantet, dass unser Land in dieser wichtigen Frage keine Position hat. Von der SPD nicht zu reden, die ja auch zustimmen müsste.

Frage: Sehen Sie Grund für Optimismus mit Blick auf die „europäische Lösung“?

Lindner: Lassen Sie es mich so sagen: Ich wünsche der Bundeskanzlerin für die Verhandlungen Erfolg. Es kann nicht sein, dass in deutschen Großstädten Diesel-Fahrer aufgrund von europäischem Recht von Fahrverboten bedroht sind – und auf der anderen Seite Europa bei der Migration handlungsunfähig ist. Ich stelle fest, dass Länder wie Frankreich, Dänemark oder Schweden längst weiter sind als wir.

Frage: Wie bewerten Sie Markus Söders Aussagen über „Asyl-Tourismus“?

Lindner: Das gehört sich nicht für einen bayerischen Ministerpräsidenten. In dieser Form Sprache zu verrohen und Europa verächtlich zu machen, das kommt wie ein Bumerang zurück. Der CSU ist nichts heilig, sogar das Kreuz wurde instrumentalisiert. Einem Söder, der so regiert, dem sollte man nicht die absolute Macht in die Hände legen.

Frage: Als Juniorpartner stünde die FDP also in Bayern zur Verfügung – wenn die Kreuze abgehängt werden?

Lindner:  Verantwortung ja, aber nur wenn die Richtung der Politik stimmt. An der Kreuz-Debatte beteilige ich mich nicht. Digitalisierung, Bildung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Abschaffung des Soli – wir haben andere Themen.

Frage: Auch in der FDP gibt es Streit um die richtige Asylpolitik. Die Juli-Vorsitzende Ria Schröder wirft Ihnen ein Anbiedern an die CSU vor.

Lindner:  Ich erlaube mir einen realistischen Blick. Wir vertreten eine eigenständige Position der Vernunft, die unabhängig von Merkel und Seehofer ist. Merkel hat sich in den Sommer 2015 verbissen, Seehofer träumt nachts vielleicht von geschlossenen Grenzen mit Schlagbaum. Wir wollen ein grenzenloses Europa, das aber klare Regeln hat. Und wir ahnen, dass sich in Europa erst etwas bewegt, wenn Deutschland sich bewegt.

Frage: CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer soll am Donnerstag zu Ihnen gesagt haben: „Bleiben Sie, wie Sie sind. Wir brauchen Sie noch.“ Was hat er damit gemeint?

Lindner: Das müssen Sie ihn fragen. Ich hatte ihn darauf aufmerksam gemacht, wie verletzend die Grünen ihn kritisiert haben. Ich mache auch in der Agrar- und Energiepolitik die Jamaika-Freunde der CSU gerne darauf aufmerksam, was sie aus Machtwillen alles geschluckt hätten.

Frage: Aber ein Jamaika-Bündnis hätte das dringend benötigte Einwanderungsgesetz gebracht. Oder?

Lindner: Nein. Den Zuzug von Fachkräften hätte man regeln können. Aber auf der anderen Seite sind die Grünen etwa gegen die Ausweitung sicherer Herkunftsländer für leichtere Rückführungen und gegen die Beschränkung des Familiennachzugs. Bei Jamaika wären Krisen Routine gewesen.