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„Von Menschen und Mächten – Stefan George, Karl und Hanna Wolfskehl – Der Briefwechsel 1892 - 1933“

9. Juli 2018


Vom Wert einer Freundschaft in bewegten Zeiten und ihr tragisches Ende

 

Rezension von Uta Luise Zimmermann-Krause

 

In diesem Jahr wird dem einhundertfünfzigsten Geburtstag von Karl Wolfskehl gedacht. Die Herausgabe seines Briefwechsels mit Stefan George in „Von Menschen und Mächten – Stefan George, Karl und Hanna Wolfskehl – Der Briefwechsel 1892 - 1933“, erschienen im Verlag C.H.Beck, gewährt Einblicke in das Leben der Dichterfreunde. Wolfskehl verkörpert eine ganze Epoche deutsch-jüdischer Geschichte. Seine Themen sind deutsche Heimat und jüdische Verwurzelung, denen die Unbegreiflichkeit von Ausgrenzung, Vertreibung und Exil gegenübersteht. Darüber hinaus beeinflussten damals seine unveröffentlichten Gedichte seine Freunde in Deutschland, die im Geheimen über die Schweiz davon Kenntnis bekommen haben. „Mein Judentum und mein Deutschtum, ja mein Hessentum – das sind keine biologischen Antagonismen, es sind Ströme einander befruchtenden Lebens“, erklärte Wolfskehl seine ungeheure Empörung über die Machtergreifung Hitlers. Karl Wolfskehl hat sich über den Charakter des Regimes nichts vorgemacht. Während andere seiner Freunde, vornehmlich aus dem Georgekreis, noch abwarteten, reiste er am Tage der Machtergreifung über Basel erst ins italienische, 1938 ins neuseeländische Asyl, ins Antithule, wie er die Insel am entgegengesetzten Teil der Erde nannte, so weit von Deutschland weg wie irgendwie möglich. Zu seinen nahestehenden Freunden zählte Stefan George, der ab 1882 selbstständig Italienisch, Hebräisch, Griechisch, Latein, Dänisch, Niederländisch, Polnisch, Englisch, Französisch und Norwegisch nebenbei lernte, um fremde Literaturen im Original lesen zu können. Seine Sprachbegabung veranlasste ihn auch, mehrere Geheimsprachen zu entwickeln. 1896 fand Wolfskehl Genesung in einer Nervenkur.

In einem Brief an Stefan George versprach er diesem Ferrareser Gemüse und eine Ferrareser Schokoladentorte in Berlin zu servieren. Im Briefwechsel tauschen sich die beiden Literaten und Herausgeber der „Blätter für die Kunst“ und „Jahrbuch für die geistige Bewegung“ über Möglichkeiten und Realitäten von Geldbeschaffung und Bezahlung ihrer Journale aus. Auch Honorare und Geldmangel sind ein ewiges Thema. In Zeiten wie diesen spüren sie unendliche Vertrautheit, so dass Wolfskehl dem George mitteilt: „…Mir geht´s schlecht. Ich komme immer weniger über mich hinaus. Und ich bin müde. Ich werde in bälde paktieren und werde wie die andern. Es war nichts für mich. An der Tafel des Lebens wollte ich oben sitzen, gleich beim Thaliarchen.“ An anderer Stelle beklagen die Dichter den gesellschaftlichen Verfall. Immerhin bemühte sich die Königin von Rumänien sehr lebhaft um die Erlangung der Gedichte von George. Man scheute sich einigermaßen, vertraute Mitteilungen in die Post zu geben, die ohnehin unzuverlässig war bei der Zustellung an den Empfänger. Stefan Georges Ziel war, die deutsche Lyrik von Grund auf zu erneuern, und Karl Wolfskehl als treuesten Helfer an seiner Seite zu wissen. Doch Wolfskehl entwickelte sich dadurch selbst vom Philologen zum eigenständigen Dichter. Seine Frau Hanna pflegte über viele Jahre ein vertrautes Verhältnis zu George, wie ihre Briefe wissen lassen. Vom 27. bis zum 30. März 1915 besuchte Hanna Wolfskehl ihren ehemaligen Studienkollegen Walter Wenghöfer in Magdeburg. Seit dem Studium in München ist sie diesem in einem regen Briefwechsel sehr verbunden. Wenghöfer jedoch suchte sechs Wochen vor Ende des Ersten Weltkriegs den Freitod in der Elbe. Auch Klagen wegen verletzter Urheberrechte wurden im Kreis der Dichter geführt – und gewonnen. Urheberrechte spielten schon bei den Dichtern der Antike eine Rolle.

Diese Edition enthält eine 868 Stücke umfassende Korrespondenz zwischen Stefan George sowie Karl und Hanna Wolfskehl und spiegelt die Zeit zwischen 1892 und 1933 wider im Sinne des Literaturgeschehens sowie politischer Ereignisse, die letztlich Wolfskehl zur Emigration ans andere Ende der Welt zwangen. Auf dem Fluchtweg durch die Schweiz erlitt Wolfskehl bei einem Sturz auf einer Steintreppe im Tessin schwerste innere Verletzungen an Lunge und Nieren. Und nur wenige Wochen später diktiert Stefan George, der an einer Blasenentzündung litt, seiner Schreiberin kurz vor seinem Tod: „…Ich bitte also auf nachrichten zu warten. Mit herzlichen erinnerungen im auftrag von d. M.“ d.M. =der Meister, wie Wolfskehl seinen Dichterfreund George in tiefer Verbundenheit nannte. Wer mehr wissen möchte über zwischenmenschliche Verbundenheit in bewegten Zeiten, dem sei das Buch „Von Menschen und Mächten – Stefan George, Karl und Hanna Wolfskehl – Der Briefwechsel 1892 - 1933“ an die Hand empfohlen.

 

  • Birgit Wägenbauer, Ute Oelmann (Hrsg.),

Von Menschen und Mächten – Stefan George,

Karl und Hanna Wolfskehl – Der briefwechsel 1892-1933.

880 Seiten, gebunden, Hardcover, Schutzumschlag,

39 Abbildungen, Verlag C.H.Beck, München, 2015

ISBN 978-3-406-68231-5

Preis: 49,95 EUR