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nicola beer

BEER-Interview: Leistung muss sich lohnen – auch für Lehrer

5. Oktober 2018


Die FDP-Generalsekretärin Nicola Beer (Foto) gab dem „Deutschlandfunk“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Manfred Götzke.


Frage: Leistung muss sich wieder Lohnen – diesen Slogan-Klassiker der FDP wollen die Liberalen auch auf die Lehrer anwenden. Sprich: Bezahlung nicht nach Laufbahn und Lebensalter – sondern eben nach der Leistung der Lehrerinnen und Lehrer. Nur woran misst man die? Frau Beer, wie wollen Sie die Leistung der Lehrer denn messen?

Beer: Zunächst einmal, glaube ich, brauchen wir eine gesellschaftliche Diskussion darüber, warum ausgerechnet im Bildungsbereich, also in dem Bereich, wo wir Lehrkräften, Erziehern das Wertvollste anvertrauen, was wir haben, nämlich unsere Kinder, warum da Leistung nicht entsprechend auch entlohnt werden soll? Wir haben eine ganze Menge an Möglichkeiten, Leistung auch zu messen, insbesondere wenn es um Lernerfolge geht. Also, es geht nicht darum, irgendwie Noten zu manipulieren, Rankings zu erstellen, sondern es geht wirklich darum, welche Entwicklungsschritte hat ein Kind von dem Punkt A zum Punkt B genommen. Aber wir müssen letztendlich dann eben auch anerkennen, dass auch eine pädagogische Arbeit mit unterschiedlicher Leistungsfähigkeit verbunden sein kann. Und dass das nicht nur eine Frage von dem Lehramt ist, was man studiert hat, sondern – und das wäre dann mein Ziel –, dass eben eine ausgezeichnete Grundschullehrkraft genauso viel verdienen kann wie ein Lehrer in der Oberstufe, der Mathematik unterrichtet. Momentan ist ihr das nicht möglich, das System sieht es einfach nicht vor.

Frage: Das heißt, Sie wollen die Bezahlung, das Bezahlmodell komplett verändern, komplett reformieren, revolutionieren ja geradezu.

Beer: Ja, völlig richtig, weil ich glaube, dass das auch ein großer Anreiz ist für diesen sehr, sehr wichtigen Bereich. Weil Bildung bildet ja nachher die Grundlage dafür, dass wir wirklich aus jedem und jeder alles herausholen, dass alle Potenziale und Talente wirklich entwickelt werden können und damit mündige Bürger, selbstbestimmte Bürger entstehen.

Frage: Jetzt hängt ja nicht jede Schülerleistung vom Geschick der Lehrer ab. Wie wollen Sie denn nach Ihrem Modell oder nach Ihrer Idee bewerten oder rausrechnen, wenn Schüler schlechter werden, wenn es zum Beispiel zuhause mal nicht so gut läuft?

Beer: Völlig richtig, das können Sie nicht jede Woche mit einer Stichtagsprobe machen, sondern es geht um eine Langzeitevaluation. Das heißt, wir müssen eben über einen langen Zeitraum beurteilen, wie die entsprechenden Erfolge sind. Und das Schöne ist, bei diesen Evaluationen können wir die Daten quasi doppelt nutzen: Wir können zum einen natürlich Lehrkräfte auch unterstützen, also in Bereichen, wo sie noch nicht so erfolgreich sind, wie sie sein könnten, auch entsprechende Fortbildungs- oder Nachschulungsmaßnahmen, oder eben auch belohnen. Und auf der anderen Seite kann man diese Daten natürlich auch nutzen, um in einzelnen Schülergruppen oder individuell eine gezieltere Unterstützung, eine gezieltere Förderung von einzelnen Kindern zu erreichen, weil natürlich diese Daten quasi doppelseitig verwendbar sind.

Frage: Ja, es gibt ja noch ein anderes Problem. Je nach Anteil von Schülern, sagen wir mal, ohne gute Deutschkenntnisse oder aus bildungsferneren Familien ist es für Lehrerinnen und Lehrer ja auch schwieriger ähnliche Ergebnisse zu erzielen wie in einer Grundschule in einem Villenviertel. Wie wollen Sie dem gerecht werden?

Beer: Völlig richtig, da müssen wir an zwei Seiten ansetzen. Das eine ist natürlich, dass es nicht darum geht, an welchem absoluten Ziel ein Kind ankommt, sondern es geht um die Frage, welche Strecke hat er genommen, also von wo habe ich ihn überhaupt abgeholt? Und das ist ja bei Schülern, gerade, wenn Sie jetzt sagen, Brennpunkt gegen Villenviertel, durchaus unterschiedlich. Aber es geht um die Erfolge, um die Strecke, die er gemacht hat mithilfe der pädagogischen Unterstützung. Und das andere ist etwas, wir stellen uns vor in Deutschland, bundesweit etwas zu installieren, mithilfe der Kolleginnen und Kollegen in den Bundesländern, was ich als Kultusministerin in Hessen eingeführt habe. Wir haben dort einen sogenannten Sozialindex geschaffen, das heißt, alle Schulen hatten mehr Lehrkräfte-Ressourcen, als sie für die Unterrichtsabdeckung brauchten. Aber Schulen in Brennpunkten hatten eben mehr zusätzliche Mittel als Schulen in Villenvierteln. Einfach deswegen, weil dort die Schülerpopulation schwieriger ist, weil sie ganz andere Probleme mit in die Schulgemeinschaft bringen. Und weil das bedeutet, dass wir dann auch von der Sache der Ressourcen, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der multiprofessionellen Teams, der Kleingruppenförderung ganz andere Rahmenbedingungen und Voraussetzungen brauchen, um aus diesen Kindern dieselben Potenziale und Talente zu entwickeln, wie das in Elternhäusern passiert, die selber unterstützen können.

Frage: Berlin handhabt das ja ganz ähnlich, die haben zusätzlich noch einen Bonus für Lehrkräfte, die sich für Brennpunktschulen entscheiden. Wollen Sie das auch, stellen Sie sich das ähnlich vor?

Beer: Ja, das finde ich eine sehr gute Entwicklung, weil ich glaube, dass das eben auch was mit Leistungswillen und Leistungsfähigkeit zu tun hat, sich größere Herausforderungen zu suchen und ganz bewusst zu sagen: Ich weiß, das wird schwieriger, das wird anstrengend. Das ist ein Unterschied, ob ich in einer Hauptschule im Brennpunkt unterrichte oder Politikdiskussionen mit Oberstufenschülern in einem Villenviertel führe.

Frage: Kommen wir noch mal kurz auf ein anderes Thema zu sprechen: Vergangene Woche war die Lockerung des Kooperationsverbotes Thema im Bundestag. Da braucht die Bundesregierung die Stimmen der Grünen und auch Ihre Stimmen, Zweidrittelmehrheit ist da notwendig. Sind Sie bei den Plänen der GroKo dabei?

Beer: Bei den Plänen, so wie sie momentan von der Großen Koalition auf dem Tisch liegen, nein, das reicht uns nicht aus. Es geht hier, das, was Frau Karliczek und Herr Scholz vorgelegt haben, ausschließlich um Investitionen in Beton und Ausstattung. Wir glauben, man muss in Qualität investieren, man muss auch in Köpfe investieren können. Und insbesondere müssen wir endlich dazu kommen, dass Bildung in Deutschland vergleichbar wird. Deswegen wollen wir mit dieser Grundgesetzänderung auch erreichen, dass die Bildungsstandards, so wie sie zwischen den Bundesländern und dem Bund vereinbart sind, endlich auch durchgesetzt werden und dass wir dies eben dann auch mit Bundesgeldern befördern können.

Frage: Da werden viele Bundesländer nicht mitmachen. Herr Kretschmann hat sich da schon ziemlich deutlich geäußert.

Beer: Ja, die Diskussionen zwischen Herrn Kretschmann und den Grünen überlasse ich jetzt erst mal den Kolleginnen und Kollegen der Grünen, die ja mit uns gemeinsam diese Änderungsanträge jetzt im Beratungsverfahren stellen. Ich weiß mich mit meinen Länderkollegen auf der Essländerseite, also der Seite, wo es entsprechende Regierungsbeteiligung von Freidemokraten gibt, einig. Es muss darum gehen, in Qualität zu investieren, weil nachher ist das Niveau unserer Bildung, die Bildungsqualität, nicht nur abhängig von der Ausstattung, von dem Gebäude, sondern insbesondere von Lehrkräften und von der Modernisierung der Lehrinhalte.

Frage: Ihr Parteichef Christian Lindner sagte, in der Debatte Föderalismus, Bildungsföderalismus in seiner jetzigen Form sei nicht mehr Teil der Lösung, sondern längst ein Problem geworden. Wollen Sie den Föderalismus in der Bildung abschaffen?

Beer: Nein, wir wollen ihn reformieren, und zwar grundlegend reformieren. Uns geht es zum Beispiel nicht darum, dass wir ein zentrales Bundesschulministerium haben, um Gottes willen, das wäre genau die falsche Entwicklung. Sondern uns geht es darum, noch weiter zu dezentralisieren. Wir wollen die eigenverantwortliche Schule, die eigenverantwortlich entscheidet über Budget, über Organisation und Personal. Und das passt dann auch wieder zu der Diskussion, die wir eben hatten, nämlich Kinder wirklich individuell zu fördern, die besten Startmöglichkeiten dann später in das Leben nach der Schulausbildung zu geben. Und das funktioniert eben nur, wenn ich vor Ort gucke. Was wird vor Ort gebraucht? Welchen Einsatz brauche ich? Welches Personal passt dazu? Und deswegen geht es hier um eine ganz andere, eine viel grundlegendere Reform, die sich auf die Ergebnisse, die sich auf die Qualität, die hier produziert wird, abstützt und nicht nur um das Außenherum.