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Juergen Resch 20170531 DSC 8088 c Steffen Holzmann

Deutsche Umwelthilfe sieht Bundesregierung im Panikmodus

Donnerstag, den 15. November 2018


Diesel-Fahrverbote kommen trotz Änderung des BImSchG auch für Städte unter 50 µg NO2/m3 sowie für schmutzige Euro 6 Diesel


Den für heute geplanten Beschluss des Bundeskabinetts zur Aufweichung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) nach Vorgaben der Autokonzerne bezeichnet die Deutsche Umwelthilfe (DUH) als teilweise EU-rechtswidrig. Die DUH weist darauf hin, dass die Bundesregierung bereits mit vorherigen rechtlichen Tricksereien zur Verhinderung von Diesel-Fahrverboten im Interesse und Auftrag der Automobilkonzerne krachend gescheitert ist: Mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig zur Zulässigkeit und Notwendigkeit von Fahrverboten am 27. Februar 2018. 
  
Dazu Jürgen Resch (Foto), Bundesgeschäftsführer der DUH: „Diese Bundesregierung ist erkennbar im Panikmodus. Anders ist es nicht zu erklären, dass sie im Auftrag der Diesel-Konzerne eine Gesetzesnovelle durchpeitschen möchte, die gleich mehrfach gegen Europarecht verstößt. Weder ist die Einführung eines erhöhten NO2-Jahresmittelwertes EU-rechtskonform noch die generelle Ausnahme von Fahrverboten für mehrere Millionen Euro 6 Diesel-Pkw mit bis zu 25-facher Überschreitung des NOx-Grenzwerts. 2019 werden wir in über 30 Städten Diesel-Fahrverbote bis inkl. Euro 5 Fahrzeuge durchsetzen. Dort wo dies nicht reicht, wie in Stuttgart, Berlin oder München, folgen in 2020 Fahrverbote auch für Euro 6 Diesel-Fahrzeuge. Um die Autokonzerne vor Diesel-Fahrverboten zu schützen, ist diese Regierung zu immer absurderen Kreativleistungen fähig.“

Die DUH geht davon aus, dass sich die deutschen Gerichte der Machtübernahme von BMW, Daimler und VW entgegenstellen, die demokratische Grundordnung verteidigen und überall dort Diesel-Fahrverbote verfügen werden, wo ohne diese Maßnahme im Jahr 2019 der Grenzwert für das Dieselabgasgift Stickstoffdioxid (NO2) überschritten ist. So erklärte am vergangenen Donnerstag, dem 8. November 2018, der Vorsitzende Richter am Verwaltungsgericht Köln, dass die gegen die von der EU verbürgten Schutzrechte verstoßende Novelle des BImSchG ‚unangewandt‘ bleiben müsse. In der Verhandlung verfügte der Richter unter anderem ein Diesel-Fahrverbot für die Stadt Bonn wegen eines NO2-Jahresmittelwertes von 48 µg NO2/m3 in der Luft. 

Die DUH kritisiert die geplante Befreiung von allen Fahrzeugen unter 270 mg NOx/km, die den aktuellen Grenzwert von 80 mg NOx/km damit um das 3,5-fache überschreiten. Technische Nachrüstungen ermöglichen es beispielsweise, selbst schmutzige Diesel der Abgasstufe Euro 5 wie einen VW Passat mit nachgewiesener Betrugssoftware von 1.000 mg NOx/km auf unter 80 mg NOx/km zu verbessern. Zudem soll dieser viel zu laxe Grenzwert von 270 mg NOx/km nur bei höheren Temperaturen einzuhalten sein, nicht aber bei Temperaturen unter 0 Grad Celsius. Bei kalten Außentemperaturen leiden die betroffenen Menschen aber ganz besonders unter den gesundheitlichen Folgen des Dieselabgasgiftes NO2. 

Die klar gegen EU-Recht verstoßende Regelung, alle Euro 6 Diesel-Pkw, völlig unabhängig davon, wie schmutzig sie auf der Straße sind, per Gesetz und nicht durch eine neue Abgasanlage von Fahrverboten zu befreien, soll aus Sicht der DUH offensichtlich den Abverkauf schmutziger Euro 6 Diesel-Pkw beflügeln.

Die DUH warnt ausdrücklich vor dem Kauf von Euro 6 Diesel-Pkw, da selbst bei mehreren Euro 6d temp Fahrzeugen klare Hinweise auf immer noch verbaute Abschalteinrichtungen gefunden wurden und im Jahr 2020 Fahrverbote auch für schmutzige Euro 6 Diesel folgen werden. 

Handwerks- und Lieferdienste sollen ebenfalls zu Neuwagenkäufen gedrängt werden. Anders ist die geplante Einschränkung im Gesetz nicht zu verstehen, dass nur Halter von Handwerker- und Lieferfahrzeugen förderberechtigt sind, die ihren Firmensitz in der von Grenzwertu?berschreitungen betroffenen Stadt oder den angrenzenden Landkreisen haben oder deren Firmen nennenswerte Auftra?ge in der betroffenen Stadt haben. 

Die geplante Novelle des BImSchG folgt kurz nach der vierten Heraufsetzung der Zahl der vorzeitigen Todesfälle durch das Dieselabgasgift NO2 durch die Europäische Umweltagentur. Allein in Deutschland sind dies 13.100 Menschen, fast viermal so viele wie durch Verkehrsunfälle jährlich ums Leben kommen. Notwendig wäre aus Sicht der DUH eine Verschärfung des NO2-Jahresmittelgrenzwerts auf mindestens 30 µg/m3, so wie dies die Schweiz seit 1986 festgeschrieben hat.

Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH bei den Klagen für Saubere Luft vertritt: „Die zuständigen Gerichte sind auf Basis der geltenden Rechtsprechung daran gebunden, jede der Einhaltung des Unionsrechts entgegenstehende Norm des nationalen Rechts – also eben auch den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf – unanwendbar zu lassen.“

Die DUH kündigt im Falle einer Änderung des BImSchG die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Bundesrepublik wegen Verstoß gegen EU-Recht an. Zudem fordert die DUH im Rahmen eines UIG/IFG-Antrags eine vollständige Einsicht in alle Dokumente, insbesondere die Kontakte der Bundesregierung mit den Autokonzernen und ihrem Verband VDA zur Genese dieser Gesetzesnovelle.