Antikörper vermeidet Anfälle beim
hereditären Angioödem
Menschen mit hereditärem Angioödem
leiden an wiederkehrenden und zum Teil lebensbedrohlichen Schwellungen.
Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin haben jetzt einen
Antikörper getestet, der die Häufigkeit der Schwellungsattacken um mehr als 90
Prozent reduzieren kann.
Die Ergebnisse der Phase-III-Studie
wurden in der renommierten Fachzeitschrift JAMA* veröffentlicht.
Das hereditäre Angioödem ist eine seltene Erbkrankheit, die bei den Betroffenen schmerzhafte Schwellungen der Haut, Schleimhäute und inneren Organe verursacht. Sie treten unvorhergesehen auf und klingen meist nach einigen Tagen wieder ab. Sind die oberen Atemwege wie der Rachen oder die Zunge betroffen, kann der Patient ersticken. Insbesondere Betroffene, bei denen die Attacken häufiger als einmal im Monat auftreten, werden zur Sicherheit oft vorbeugend behandelt. Um ihr Risiko für die lebensbedrohlichen Schwellungen zu senken, wurden sie mit bisher verfügbaren prophylaktischen Wirkstoffen behandelt. Diese Medikamente bewirkten oft erhebliche Nebenwirkungen, mussten mehrmals pro Woche injiziert werden oder waren nur unzureichend wirksam.
Forscher der Charité konnten nun
zeigen, dass der neue Antikörper Lanadelumab die Häufigkeit der Schwellungen um
mehr als 90 Prozent reduzieren kann. Dazu wird er alle zwei Wochen unter die
Haut gespritzt, was die Betroffenen selbst zuhause mithilfe eines
Injektionsstifts vornehmen können. „Der neue Antikörper ist derzeit das
wirksamste Medikament zur Vermeidung von Schwellungen beim hereditären
Angioödem“, erklärt Prof. Dr. Marcus Maurer. Er ist Forschungsdirektor der
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Charité und Leiter
der jetzt veröffentlichten Studie. „Dass der Wirkstoff nur im Abstand von zwei
Wochen injiziert werden muss, ist zudem eine große Erleichterung für die
Patientinnen und Patienten“, ergänzt der Dermatologe.
Die Wissenschaftler hatten 125
Betroffene ab zwölf Jahren im Rahmen einer internationalen Phase-III-Studie
über 26 Wochen mit verschiedenen Dosierungen von Lanadelumab oder einem Scheinmedikament
behandelt. Die wirksamste Dosis des Antikörpers senkte die Häufigkeit der
Schwellungen von 3,50 auf 0,26 pro Monat. Auf Basis der Studienergebnisse hat
der Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur im
Oktober empfohlen, Lanadelumab zur Prophylaxe bei Patientinnen und Patienten
mit hereditärem Angioödem ab zwölf Jahren zuzulassen. „Die Empfehlung bildet
die Entscheidungsgrundlage für die Marktzulassung durch die Europäische
Kommission, die noch in diesem Jahr erwartet wird“, sagt Prof. Maurer.
Lanadelumab ist ein Antikörper,
der gegen das körpereigene Protein Kallikrein gerichtet ist. Kallikrein führt
im Blutplasma zur Freisetzung des Gewebshormons Bradykinin, das die
Blutgefäßwand durchlässig für Flüssigkeit macht und dadurch Schwellungen
verursacht. Durch eine Veränderung im Erbgut ist die
Kallikrein-Bradykinin-Kaskade bei Menschen mit hereditärem Angioödem übermäßig
aktiv. Indem Lanadelumab Kallikrein bindet, hemmt der Antikörper die
Freisetzung von Bradykinin und verhindert so die für die Krankheit typischen
Schwellungsattacken.
Quelle: Charité – Universitätsmedizin Berlin