Besondere Rituale der frühen Zeit
Von
Uta Luise Zimmermann-Krause
In der Antike fanden Brauchtum und religiöse Riten
an bestimmten Orten statt, von denen sich oft nur wenig erhalten hat. Und doch
gelingt es dem Autor Martin Zimmermann, Professor für Alte Geschichte an
der Ludwig-Maximilian-Universität, in seinem neuesten Buch „Die seltsamsten
Orte der Antike – Geisterhäuser, Hängende Gärten und die Enden der Welt“
mit spannenden Schilderungen die vergessenen Orte der Antike erneut mit Leben
zu versehen. Das Werk bietet in 10 übersichtlich gegliederten Kapiteln das
gesamte Spektrum bemerkenswerter Orte, deren Sinn sich uns heute mitunter kaum
erschließt. Die Zuneigung der antiken Menschen zu Göttern, Geistern, Fabelwesen
und Dämonen, die in Wäldern, Grotten und anderswo ihre Wirkung zeigten, war
geradezu fanatisch. Und so erklärt es sich, dass eine schier unübersehbare
Anzahl dieser unsichtbaren Wesen im Alltag stets präsent waren, um die
Geschicke der Menschen, die sie verehrten zu lenken. Von Eridu, einem
Siedlungsplatz als Urstadt der Menschheit im Südirak, ist die Rede. Am
Zusammenfluss von Euphrat und Tigris nahe dem Persischen Golf, war bereits in
der Antike eine wasserreiche und fruchtbare Region. Sie galt als Garten Eden,
dem biblischen Ort. Die Anlage ausgeklügelter Bewässerungssysteme seit dem 4.
Jahrtausend vor Chr. hat die erste bedeutende Stadtkultur entstehen lassen. Im
Wissen um die Wichtigkeit des Wassers für Leben ganz allgemein verehrten die
antiken Menschen Enki, den Gott der Weisheit, und sie stellten sich diesen Gott
als den Schöpfer der Menschen vor. Auch glaubte man, dass das regierende
Königtum vom Himmel auf die Erde gegeben wurde. Und es lebte zu dieser Zeit ein
Wesen namens Adapa. Er galt als Sohn Enkis und war halb Mensch und halb Gott.
Während der Herrschaft fremder Reiche wie die der Perser, der Hellenen und
Römer verschwindet der Ort Eridu aus der Erinnerung. Ähnliches ereignete sich
in der Westtürkei. Hier besang Homer in seiner Dichtung die alten Ruinen, die
tausende Jahre zuvor zu Befestigungen der Zeitgenossen zählten. Ein
Troja-Mythos entstand.
Daneben gilt das Adyton in Delphi als der Nabel der
Welt, und gleichzeitig als ein Ort, den wir nicht sehen dürfen. Die Priesterin
begab sich in die Cella, in der Gase wie Äthan, Methan und Ethylen schwelten
und wenig Sauerstoff, so dass die Wahrsagerin in eine Art Trance verfiel, den
Orakelspruch aus dieser kleinen Kammer an die Priester weitergab, die ihre
unverständlichen Worte umformulierten und die Interpretation des göttlichen
Spruches in schriftlicher Form an denjenigen weitergaben, der das Orakel
befragt hatte – gegen hohe Bezahlung. Weiter noch ist die Rede von einer
kleinen Erdgrube in Rom und wie es dazu kam, dass auf dem Forum Romanum Männer
eine Handvoll Erde aus dem jeweiligen Lande, woher sie gekommen waren, in eine
Grube warfen und anschließend alles umrührten. So hielt der antike Autor
Plutarch den Stadtgründungsritus Roms für uns fest. Doch Städte wurden auch
wieder zerstört und gingen unter. Dieses konnte urplötzlich eintreten wie in
Pompeji (79 n.Chr.) infolge eines Vulkanausbruchs, oder mit einer militärischen
Eroberung oder gar durch den Ausbruch eines Bürgerkriegs. Und so gelingt es dem
Autor durch facettenreiche und spannende Erzählungen eine stattliche Anzahl von
mysteriösen Orten hervorzuheben, deren Bedeutung für uns nicht unbedingt in
jedem Fall nachvollziehbar ist. Das Buch „Die seltsamsten Orte der Antike –
Geisterhäuser, Hängende Gärten und die Enden der Welt“ sollte in keiner
Handbibliothek fehlen, denn die Beschäftigung damit wird zur Freude.
Die seltsamsten Orte der Antike –
Gespensterhäuser, Hängende Gärten und die Enden der Welt.
336 Seiten, gebunden, Leinen,
Schutzumschlag, 10
Abbildungen,
Verlag C.H.Beck, 2018
ISBN 978-3-406-72704-7
Preis: 22,95 EUR