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paehle katja

Pähle: „Rechtsterrorismus ist eingebettet in ein Umfeld der Politik des Schreckens“

Dienstag, den 16. Oktober 2018


FES-Tagung „Fünf Jahre NSU-Prozess“


Zur Eröffnung einer Veranstaltung der Friedrich-Eberts Stiftung zum Thema „Fünf Jahre NSU-Prozess“ erklärt die SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag von Sachsen-Anhalt, Katja Pähle (Foto):

 

Vor kurzem noch schien der sogenannte „Nationalsozialistische Untergrund“ noch ein – jedenfalls in unserer jüngsten Geschichte – singuläres Phänomen zu sein. Eine terroristische Vereinigung von rechts, die über Jahre Menschen tötet, allein ihrer Herkunft wegen, aus rassistischen Motiven – das hatte es so in der deutschen Nachkriegsgeschichte noch nicht gegeben. Viel ist seit dem Bekanntwerden der Morde des NSU über seine Verbindungen zu anderen organisierten Rechtsextremisten recherchiert und spekuliert worden. Aber wie auch immer man diese Vernetzungen einschätzt und bewertet – heute wissen wir: Auch als Terrororganisation ist der NSU kein singuläres Phänomen mehr.

 

Durch das Auffliegen der Gruppe „Revolution Chemnitz“ ist offenbar geworden, dass die Bereitschaft zu offener Gewaltanwendung bis hin zum politischen Mord in der rechtsextremen Szene viel größer ist, als wir das bisher gewusst haben – und was noch viel bedrohlicher ist: auch zur Gewaltanwendung, zum Terror als Teil einer planvollen Strategie zur Machtergreifung.

 

Terror heißt ja nichts anderes als Schrecken. Und Schrecken zu verbreiten, das genau ist der Zweck jeder Form von politischem Terrorismus. Aber: Heute ist die systematische Verbreitung von Schrecken, die Einschüchterung ganzer Bevölkerungsteile tragendes Element einer politischen Strategie, die weit vor dem offenen Terror ansetzt.

 

Menschen einschüchtern – das ist die Funktion von Portalen zur Denunziation kritischer Lehrerinnen und Lehrer, wie sie die AfD jetzt in allen Bundesländern etablieren will.

 

Menschen Angst machen – das ist der Sinn von Drohungen und Gewalt gegen Journalistinnen und Journalisten, hier in Sachsen-Anhalt geschehen nicht erst bei den Neonazi-Demos in Köthen, sondern auch schon beim Treffen des rechtsextremen sogenannten „Flügels“ der AfD in Burgscheidungen, wie man es erst gestern Abend wieder im ARD-Fernsehen beobachten konnte.

 

Schrecken verbreiten – das ist das Ziel von Hate Speech im Internet gegen Andersdenkende aller Art, von Todesdrohungen und, wenn es gegen Frauen geht, besonders gerne auch von Drohungen mit sexualisierter Gewalt.

 

Menschen klein machen und ihnen zeigen, dass sie unerwünscht sind – das ist der Zweck von Ausgrenzungen und Beleidigungen, den Menschen mit „sichtbarem“ Migrationshintergrund in unserer Gesellschaft täglich erfahren, und beileibe nicht nur Flüchtlinge.

 

Das sind die Facetten einer Politik der Demütigung und Einschüchterung, deren Träger mittlerweile als Abgeordnete in den Parlamenten ebenso unterwegs sind wie als Schlägerbanden auf der Straße.

Und deshalb mag die Frage der Vernetzung des NSU mit seinem rechtsextremen Umfeld zwar unter strafprozessualen Gesichtspunkten noch nicht abschließend geklärt sein – oder für den Verfassungsschutz [-]-

 

aber politisch ist klar: Rechtsextremer Terrorismus ist fest eingebettet in ein Umfeld, für das der Schrecken als Mittel der Politik längst zur Selbstverständlichkeit geworden ist.

 

Diese Strategie hat aber zwei große Schwächen:

 

Erstens: Zum Erschrecken gehören immer zwei. Wer einschüchtern will, braucht jemanden, der sich einschüchtern lässt. Oder auch: Mut und Zivilcourage schwächen die Wirkung einer Politik des Schreckens erheblich.


Und zweitens: Selbst rechte Terroristen wollen keine feigen Mörder sein, sondern nationale Helden. Sie verstehen sich als Träger einer historischen Mission und als Vollstrecker eines imaginierten Volkswillens. Deshalb ist das beste Mittel, um Terror und Schrecken die politische Basis zu entziehen, diesen scheinbaren Volkswillen zu dekonstruieren.

 

Das ist das große Verdienst der Demonstration #unteilbar vom vergangenen Samstag: Sie macht der Zivilgesellschaft Mut, und sie durchbricht das Bild, dass sich manch einer schon von unserer Gesellschaft gemalt hat: dass sie nämlich unaufhaltsam nach rechts rutscht. Diese Demonstration steht beispielhaft dafür, wie wir positive Gegenbilder entwickeln können, mit denen wir Hetze und Gewaltbereitschaft delegitimieren.