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Online Bello

Lucy & Dicki, Teil 5 – Eine Geschichte von Kathrin König aus Haldensleben

Lucys Abenteuer in Nachbars Garten

23. September 2018


Eine Geschichte von Kathrin König

Lucy schleicht geduckt durchs Gestrüpp. Nur nicht auffallen und gesehen werden. Sie entfernt sich immer mehr von ihrer gewohnten Umgebung. Manchmal bleibt sie stehen und horcht und dann geht sie leise weiter. Endlich hat sie ihr Ziel erreicht. Sie klettert über den Bretterzaun in den leicht verwilderten Garten von Metzgermeister Silbernagel. Lucy bewegt sich weiter auf leisen Sohlen, denn der Fleischer hat zwei große Hunde. Bello ist ein gefürchteter Katzenkiller, aber Falko ist harmlos und tut keiner Katze etwas. Sie sehen sich zum Verwechseln ähnlich. Damit Herrchen und Frauchen sie auseinander halten können, tragen beide unterschiedliche Halstücher. Bello trägt stolz sein knallrotes Vorsicht-ich-bin-gefährlich-Tuch und Falko schmückt sich mit einem bunten Halstuch. 

Lucy bleibt immer wieder stehen und schleicht dann so leise es geht weiter zum Schlachthaus des Metzgermeisters Silbernagel. Manchmal vergisst der Meister die Türe zu schließen und wenn noch nicht saubergemacht ist, dann kann man hier und da ein paar kleine Happen naschen. Plötzlich hört sie ein gefährliches Kurren und Bello kommt herangesprintet. Er ist schnell, sehr schnell und Lucy muss um ihr Leben laufen. Sie springt im letzten Moment den Kirschbaum hoch und ist nur froh, dass sie es geschafft hat, dem bösen Hund haarscharf zu entkommen. Seine Zähne schnappen ins Leere. ‘Lucy, das war aber sehr knapp!’, sagt sie zu sich selber und versucht, ihr wild pochendes Herz zu beruhigen. Bello springt am Kirschbaum immer wieder hoch. Sein Gebell wird lauter und wütender. 

Diesen Krach hört auch der Fleischermeister. Er hatte einen langen Arbeitstag und wollte endlich Feierabend machen und in der Küche seine Zeitung lesen. Seine Füße stecken in bequemen Schlappen. Es war wieder ein anstrengender Tag. Herr Silbernagel öffnet mit der Zeitung in der Hand die Hintertüre und schaut, was da los ist. Bello stört also seine Ruhe und warum macht er solchen Krach? Ah, eine Katze ist im Kirschbaum, jetzt verstand er alles. Falko, der seinem Herrchen neugierig folgte, läuft zu Bello und stellt sich vor den Kirschbaum. Irritiert schaut Bello ihn an: „Was soll denn das, Falko! Siehst du denn nicht die Katze im Baum? Die will ich haben!“ „Nein!“, sagt Falko und knurrt Bello an. Herr Silbernagel macht kurzen Prozess und ruft beide Hunde zurück ins Haus. Der Fleischermeister geht in der Küche zum Kühlschrank, schneidet etwas Leber vom großen Stück ab und wirft es zum Kirschbaum. Als die Luft rein ist, klettert Lucy hurtig und mit zitternden Beinen den Baum herunter. Sie folgt ihrer Nase. Oh, wie lecker! Sie schnappt sich das Stückchen Leber und läuft damit den Weg zurück bis zum Gartenzaun. Mit einer Leichtigkeit klettert sie hinüber und kann nun in aller Ruhe ihre Beute genießen. Das Stückchen Leber war gut und frisch. Lucy streift gestärkt noch etwas in ihrem Revier umher. Schnuppert hier an einem Strauch und dort am Baumstamm. Auch erneuert sie dabei gleich ihre Markierungen. „Das ist Lucys Revier!“

„Was für ein aufregender Tag! Eigentlich müsste ich sofort zu Dicki laufen und ihm mein aufregendes Abenteuer erzählen. Vielleicht bewundert er mich, dass ich so schnell weggelaufen bin.“ Lucy macht sich auf den Heimweg und spürt eine innere Freude. Sie will endlich ihr Erlebnis ganz schnell erzählen und läuft immer schneller zu ihrem neuen Spielgefährten.

Endlich ist sie auf dem Hohen Hof bei Dickis Katzeneltern Anne und Walter. Draußen ist er nicht zu sehen. Er liegt im Haus auf der Fensterbank und döst. Er lässt sich durch die Sonnenstrahlen sein Fell wärmen. Lucy miaut laut. Erst spielt er mit den Ohren und dann ist er hellwach. Er antwortet, dass er nicht raus könne, es wäre keiner da, der ihm die Türe öffnen könnte. Ja, Lucy, was nun? Sie überlegt und kommt zu dem Entschluss: solange zu warten, bis jemand die Türe öffnet. So setzt sich Lucy auf die Bank und ruht sich erst einmal vom langen Weg aus. Irgendwann macht Dickis Katzenmama Anne die Türe auf und er kommt angelaufen. Nach der Begrüßung fragt er: „Was gibt es denn?“ Aber so schnell rückte Lucy nicht mit der Sprache heraus. Sie putzt sich zuerst ihr Fell, dann geht sie mit ihrer Pfote über die Ohren und lässt Dicki noch eine Weile warten. Die Spannung steigt und er kann es kaum noch aushalten: „Nun erzähle doch schon! Ich platze fast vor Neugier!“ Also beginnt Lucy mit recht vielen Miau- und Mio-Worten und sehr ausschweifend – welchem Schmetterling sie nachgejagt war und wie himmlich die Wildblumen geduftet haben und so weiter – Dicki ihr Abenteuer zu erzählen. Er lauscht ihren Worten und ihm bleibt vor Erstaunen sein Mäulchen offen. Wie schrecklich hätte diese Geschichte ausgehen können, wenn der Fleischermeister Silbernagel nicht den bösen Hund Bello zurückgerufen hätte. Gott sei Dank, ist alles gut gegangen. Zum Zeichen seiner Freude putzt Dicki ein paar Mal mit seiner kleinen Zunge über Lucys Ohr. Sie freut sich darüber, dass sie Dicki ihre Geschichte so richtig furchterregend erzählt hatte und dass der böse Bello sie fast geschnappt hätte und so weiter und so weiter. Dicki glaubt ihr jedes Miau. Was für eine Heldin meine Lucy doch ist, dachte Dicki.

Am nächsten Tag geht die Sonne wie immer auf und es wird wieder ein warmer und verheißungsvoller Sommertag. Lucy bekommt zu Hause ihr Frühstück und frisst es gierig auf. So hört sie, dass ihre Katzeneltern Helmut und  Undine von Urlaub sprechen. Der Katzenpapa holt zwei große Koffer aus dem Keller und legt sie draußen offen in die Sonne. Nanu, denkt Lucy, was passiert denn jetzt? Ist das für mich eine neue Schlafkiste? Lucy springt hinein und wird gleich wieder rausgehoben. „Das sind Koffer, denn wir wollen verreisen!“, sagt die Katzenmama Undine so, als ob das Lucy verstehen würde. Lucy sitzt daneben und versteht gar nichts. Auch wird sich ständig über diesen Urlaub unterhalten. ‘Da muss ich doch zu Dicki gehen und ihn fragen, vielleicht weiß er die Antwort.’ Lucy macht sich auf den Weg zu Dicki. Er will gerade sein Revier abschreiten und bleibt stehen. Er bemerkt, dass Lucy etwas ratlos aussieht. Sie erklärt ihm, was sie soeben gehört hatte. „Ach, Urlaub?“, sagt Dicki. „Das wäre überhaupt nichts Schlimmes. Die Katzeneltern verschwinden einfach und kommen irgendwann mit einem Haufen schmutziger Wäsche wieder. Sie sehen auch anders aus, haben gute Laune und erzählen von Erholung.“ Er findet das immer ganz toll, wenn sie nicht da sind, dann käme die Oma Erna, die das Haus hütet. Sie verwöhne ihn immer. Und wenn die Katzeneltern Anne und Walter wieder da sind, dann springe er sehr gerne in den großen Haufen Klamotten. Keiner schimpfe mit ihm. Die Katzenmama sagt höchstens: „Komm, geh mal weg hier, sonst kommst du noch mit in die Waschmaschine!“ 

Als Lucy wieder zu Hause ist, sieht sie im Schlafzimmer das Bett voller Wäsche liegen. Erst kommt der eine Koffer dran und die Wäsche verschwindet darin, dann wird der nächste Koffer eingepackt. Lucy schaut diesem Treiben höchst interessiert zu. Katzenmama Undine ermahnt Lucy: „Bleib schön auf dem Bett-regal sitzen, sonst packe ich dich noch mit ein und wir nehmen dich mit an die Ostsee!“ Aha! Ostsee! Dann geht alles ganz schnell. Ehe sich Lucy versieht, wird sie in die Katzen-Tragebox gesteckt und Katzenpapa Helmut trägt die Box zu Dickis Katzeneltern. Er überreicht dort einen großen Beutel mit Katzenfutter und sie tauschen noch Ratschläge aus. „Mach’s gut, Lucy! Morgen wird es zu hektisch, wenn wir früh losfahren wollen. Daher bist du schon jetzt bei deinem Freund Dicki und seinen Katzeneltern. Sei schön artig, nicht dass hinterher  Klagen kommen!“ Über diese Worte lachen sie. Als die Türe zu ist, öffnet Dickis Katzenmama Anne die Türe der Box. Lucy kommt vorsichtig heraus und schaut sich um, denn im Haus war sie noch nie. Dicki begrüßt Lucy und leckt ihr übers Gesicht. 

Hurra! Zwei Wochen Ferien, hatte Lucys Katzenpapa Helmut gesagt. Mal sehen, was Dicki und Lucy in der Zeit für Abenteuer erleben werden.