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kr 15 freiberg dom

Buchtipp: „Der Freiberger Dom – Architektur als Sprache und Raumkunst als Geschichte“

Symphonie in Stein 

Von Uta Luise Zimmermann-Krause

In einer Neuerscheinung der Reihe ´Kulturreisen - Das Bauwerk´ im Verlag Janos Stekovics, geht der Autor Stefan Bürger der Frage zum Verhältnis von Architektur und Sprache nach. Entstanden ist der neue Band „Der Freiberger Dom – Architektur als Sprache und Raumkunst als Geschichte“, ausgestaltet mit qualitativ hochwertigen Fotografien, im Rahmen eines Forschungsprojektes. 

An diesem Verbundprojekt waren Studierende sowie Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Kunstgeschichte, Germanistik, Kartografie, Photogrammetrie und Geschichte beteiligt, allesamt gefördert durch das Hochschuldidaktische Zentrum Sachsen. Sie fanden heraus, dass sich die Baugeschichte einer Kirche als historische Bilderzählung darstellt, welches hervorragend auf den Freiberger Dom zutrifft. 
Die Bildgeschichte der Marienkirche beginnt nicht erst um 1400, sondern nimmt bereits in romanischer Zeit ihren Anfang. Im Jahr 1160 gründete Markgraf Otto der Reiche das Waldhufendorf Christiansdorf als Vorläufer der Stadt Freiberg mit einer über die Jahrhunderte wechselhaften Geschichte. Ob Kaiser Friedrich I. Barbarossa oder Kaiser Karl IV. - Markgraf Wilhelm I., der Einäugige, strebte 1399 an, das Bistum Meißen aus dem Erzbistum Magdeburg herauszulösen und stärker an seine Markgrafschaft zu binden. 

Um eine sakrale Herrschaft auszuüben, galt es, Reich und Kirche zu verflechten. 
Dieser Idee  frönte bereits Kaiser Otto der Große als Begründer des Erzbistums Magdeburg im Jahr 968 mit dem ersten Erzbischof Adalbert – Berater des Kaisers und Benediktinermönch aus dem Kloster St. Maximin vor Trier. 

Doch zurück zu Markgraf Wilhelm. Er ließ eine stattliche Zahl von Bauprojekten nach Vorbildern der böhmischen Baukunst errichten bis letztendlich der Reformator Martin Luther die Kirche spaltete. Verfechter des katholischen Glaubens standen nun auf der Seite von Kaiser und Papst, während die reformierten Lutheraner nach Erkenntnissen des Reformators Stiftertätigkeit für Kunstwerke und Bildwerke grundsätzlich ablehnten. 

Die Gnade Gottes sei anders zu erreichen, so Luthers Überzeugung. 
Trotz allem, und Gott sei Dank! Zweifellos ist die Goldene Pforte der Marienkirche aus der Zeit um 1220/25 ein spektakulärer Überrest romanischer Baukunst von hohem Rang. Figuren am Portal geben biblische Geschichten des Alten und des Neuen Testaments preis, denn sie verheißen den Ausblick auf Heil und damit Erlösung. Johannes der Täufer sowie Johannes der Evangelist treten als Zeugen der Geburt Christi auf und laden den Betrachter in das Innere der Kirche ein. Die Ordnung des Lettners und des anschließenden Chorraums schenkt eine bestimmte Lesart, die am besten direkt vor Ort zu erleben ist. Hoch aufragende Werksteineinfassungen deuten auf den meisterhaften gestalteten Chor mit umlaufender Empore im Dom zu Freiberg. Einflüsse durch den böhmischen Baumeister Peter Parler, der auch die Grablege von Karl IV. schuf, finden sich im Parallelrippengewölbe im Freiberger Vorchor. Doch schauen Sie selbst, mit welchem Geschick gewollte Unregelmäßigkeiten in der Anordnung der Rauten oder Rippen den Blick des Betrachters bereichern.    
    
Interessante Ergebnisse brachte die bildhafte Rekonstruktion des romanischen Langhauses im Verhältnis zum spätgotischen Raum. Dieses Langhaus gleicht einem Portal. 

An den Pfeilern erzählen die törichten und die klugen Jungfrauenstatuen ihre Geschichte. Sie warten auf Christus, der die Klugen mitnimmt in den Hochzeitssaal, während er den Törichten verschlossen bleibt. Mehr noch. Das prächtig geschmückte Langhaus bietet zwei getrennte Bilder: zum einen das Paradies und zum andern das Himmlische Jerusalem. Durch die Öffnungen im Gewölbe ließ sich im Mittelalter die Auffahrt Christi oder Mariens inszenieren oder das Pfingstwunder durch herabfliegende Tauben darstellen. Man könnte fast meinen, die Feierlustigen im antiken Rom hätten Pate gestanden, wenn sie als Zeichen hoher Kultur Parfüm aus kleinen Öffnungen in der Zimmerdecke sprühen ließen. Doch zurück zu den Engeln der Freiberger Kirche, die als Bote und Vermittler zwischen Himmel und Erde dienen. Die Errichtung der sogenannten Tulpenkanzel um 1505/10 war zweifelsohne ein mediales Ereignis. Das Kunstwerk erlangte durch eine fast überbordende Gestaltung eine herausgehobene liturgische Bedeutung. Mit allen fünf Sinnen sollte der Gottesdienst wahrgenommen werden: 

Hören, Sehen, Fühlen, sowie das Riechen des Weihrauchs und das Schmecken der Hostie.     
Die Tradition der Musik präsentieren Engel mit Schellentrommel, Oud (Kurzhalslaute), Bouzouki (Langhalslaute), Schalmei, Violine und Gesang. Diese konzertanten Klänge berühren uns zutiefst im Inneren und können uns zu Höchstleistungen führen. 

Bete und arbeite, wussten die Benediktinermönche bereits vor mehr als eintausend Jahren. Und aus dieser Tradition heraus entstanden Klöster, Kirchen Landwirtschaft, auf deren Grundstock prächtige Kirchenbauten von Romanik bis Barock entstehen konnten und manche von ihnen bis heute zu bewundern sind, so auch der Dom zu Freiberg.  

Stefan Bürger
Der Freiberger Dom
Architektur als Sprache und Raumkunst als Geschichte
Kulturreisen ? Journal für Kulturgeschichte und Kunst  ? Band 15
Fotografien von Janos Stekovics
196 Seiten, 350 farbige Abbildungen, 
16,5 x 24 cm, Broschur,
Verlag Janos Stekovics, 2017, 
ISBN 978-3-89923-385-8
Preis: 19,80 EUR