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FDP / KUBICKI-Interview: Schulz hat eine Art Beißhemmung

Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki (Foto) gab den „Westfälischen Nachrichten“ (Dienstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Norbert Tiemann.

Frage: Eine gewisse Enttäuschung über den Jamaika-Ausstieg der FDP ist immer noch spürbar, insbesondere die Wirtschaft hat sich viel von einem Mitregieren der FDP versprochen. Haben Sie den Absprung wirklich gut genug begründet?

Kubicki: Offensichtlich nicht, denn ansonsten wäre es ja nicht möglich gewesen, die FDP derart zu denunzieren, wie wir das erfahren mussten. Es gab schlicht und ergreifend keinen Sinn mehr, noch einmal vier Wochen Gespräche dranzuhängen, wenn man spürt, dass man in der Sache nicht zusammenkommt. Seis drum: Das ist kein Vorwurf an die Schwarzen oder an die Grünen.

Frage: Was ist denn falsch gelaufen?

Kubicki: Wir hätten anders anfangen müssen, schließlich waren wir uns zuvor in der politischen Arena in dieser Form nie begegnet. Es mangelte daran, dass wir, um das notwendige Vertrauen herzustellen, nicht in kleinen Runden begonnen haben. Nur so kann man Spannungen abbauen und eine Witterung füreinander entstehen lassen, nur so entsteht ein Gespür dafür, was ich dem anderen an politischen Kompromissen überhaupt zumuten kann und was ihn überfordern würde. Und: Die „Big Points“ gehören an den Anfang und nicht ans Ende. Und bei der Kanzlerin hatte man das Gefühl, dass sie das Ganze nur wenig interessiert, denn sie beschränkte sich auf das Führen der Rednerliste.

Frage: Der FDP geht es offenbar so gut, dass sie sich intensiv mit den Problemen anderer Parteien beschäftigen kann. So empfehlen Sie der CDU eine personelle Erneuerung und nennen Namen wie Jens Spahn und Daniel Günther.

Kubicki: Zunächst, ich dränge niemanden. Aber Sie haben recht, den Freien Demokraten geht es tatsächlich gut, denn trotz der massiven öffentlichen Diskussionen liegen wir in Umfragen so gut wie eine Woche vor der Bundestagswahl im September. 84 Prozent unserer Wähler finden den Ausstieg aus Jamaika gut und richtig. Nur sechs Prozent finden ihn falsch. Ich dränge die Union nicht, aber es soll niemand glauben, dass wir uns für den Fall, dass die GroKo-Pläne scheitern, mit denselben Personen noch einmal an einen Tisch setzen. Dazu bräuchte es ohnehin Neuwahlen. Wenn ich gefragt werde, wer soll es denn zukünftig bei der Union machen, dann fällt mir der Name Jens Spahn ein; er wird in einigen Jahren zu einer Kapazität in der Union heranwachsen; ganz so viele gibt es da ja nicht.

Frage: Bei Ihnen fällt ja auch schon mal der Name Daniel Günther, Ministerpräsident in Schleswig-Holstein. Den haben Sie mal als Ihren politischen Lehrling bezeichnet . . .

Kubicki: Das mit dem Lehrling ist sicherlich übertrieben, aber wir beide haben eine sehr gute Vertrauens- und Arbeitsbasis miteinander.

Frage: Sie sorgen sich auch um den Zustand der SPD und garnieren Ihren Wunsch nach personeller Erneuerung gleich mit einem Namen – Andrea Nahles.

Kubicki: Wenn wir irgendwann zu Neuwahlen kommen sollten, kann die SPD nicht wirklich mit Martin Schulz antreten. Dieser Mann ist von 100 auf 0 gefallen, weil er in kürzester Zeit alles das weggeräumt hat, was er zuvor geradezu apodiktisch verkündet hatte. Er hat nicht nur viel Vertrauen innerhalb der eigenen Partei, sondern auch bei den Bürgerinnen und Bürgern verloren. Nachdem Sigmar Gabriel bedauerlicherweise nicht mehr in der ersten Reihe steht, sehe ich als führende Persönlichkeit definitiv Andrea Nahles.

Frage: Auch wenn die offizielle Sprachregelung in der SPD eine andere ist: Warum konnte sie wichtige Punkte gegen Seehofer und Merkel nicht durchsetzen?

Kubicki: Das ist schon merkwürdig, dass die Union so viel durchsetzen konnte, obwohl doch die Person Angela Merkel durch die gescheiterten Jamaika-Gespräche ziemlich geschwächt war. Es lag vielleicht daran, dass Martin Schulz erst durch Bundespräsident Steinmeier an seine staatspolitische Verantwortung erinnert werden musste. Schulz hat offensichtlich darüber hinaus gegenüber der Kanzlerin eine Art Beißhemmung, er hat eine devote Grundhaltung gegenüber dieser Kanzlerin, das dürfte sich in den Verhandlungen für die SPD als nachteilig erwiesen haben.

Frage: Teilen Sie die Einschätzung, dass eine GroKo, so sie denn käme, etwas mit dauerhafter stabiler Regierungsarbeit zu tun haben könnte? Oder wäre schon nach zwei Jahren Schluss?

Kubicki: Nur wenn man sich selbst nicht traut, kommt man auf die Idee, nach zwei Jahren gemeinsamer Regierung eine Inventur zu machen. Dieser Passus war doch ganz klar an den SPD-Parteitag gerichtet nach dem Motto „Macht euch keine großen Sorgen, wir machen das Ganze nur für zwei Jahre“. Inzwischen ist doch die Atmosphäre zwischen Sozialdemokraten und Union schon weitgehend vergiftet. Die SPD merkt, dass die Union in einer Koalition gern Verträge nicht einhält und man als Juniorpartner zwar eine gewisse Verhinderungs-, aber nicht eine wirkliche Gestaltungsmacht hat.

Frage: Sie haben sich in Berlin ins Amt des Bundestagsvizepräsidenten wählen lassen. Was reizt Sie, der Sie den Status eines politischen Raufboldes nicht leugnen können, an dieser Aufgabe?

Kubicki: Das eine leugne ich nicht. Natürlich muss ich mich als Bundestagsvizepräsident in der politischen Debatte ein wenig mehr zurückhalten, da sind ja auch in erster Linie repräsentative Aufgaben zu erledigen. Unmittelbar nach der Wahl haben Christian Lindner und ich uns darauf verständigt, dass er den Fraktionsvorsitz übernimmt und ich Bundestagsvizepräsident werde. Nur in diesen beiden Funktionen können Sie, sofern Sie nicht mitregieren, politisch wirken.

Frage: Der SPD-Parteitag hat den Weg für Koalitionsgespräche mit der Union geebnet. Wie beurteilen Sie den Fortgang der Verhandlungen?

Kubicki: Dass die Union noch erhebliche Zugeständnisse machen wird, glaube ich nicht. Schließlich wurde mit dem Sondierungspapier bereits ein Kompromiss gefunden. Auch in der Union, gerade in der CSU vor der wichtigen Landtagswahl in Bayern, werden die führenden Repräsentanten doch auch von ihrer Basis vor Ort gefragt, warum sie von eigenen Themen noch weiter abrücken sollten. Nur um Martin Schulz innerparteiliche Rückendeckung zu geben? Einige Sozialdemokraten erklären ja jetzt: „Das, was wir gemeinsam vereinbart haben, gilt am nächsten Tag nicht mehr, weil unsere Leute gemerkt haben, dass wir zu schlecht verhandelt haben.“ Das ist jedenfalls für mich keine ausreichende Begründung, von der vereinbarten Linie abzuweichen und programmatische Zugeständnisse zu machen.