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Mieterbund-Präsident Dr. Franz-Georg Rips: Wohnungspolitische und mietrechtliche Bilanz der Arbeit der Bundesregierung

Berlin, 6. Juni 2017   

 
(dmb) „Eine Million fehlende Wohnungen in Deutschland, Neubauzahlen, die deutlich hinter dem Bedarf zurückbleiben, Sozialwohnungsbestände, die weiter schrumpfen, stark ansteigende Wiedervermietungs- und jetzt auch Bestandsmieten - die wohnungspolitische und mietrechtliche Bilanz der Bundesregierung fällt aus unserer Sicht unbefriedigend aus“ erklärte der Präsident des Deutschen Mieterbundes (DMB), Dr. Franz-Georg Rips ( Foto ), auf einer Pressekonferenz der Mieterorganisation in Berlin im Vorfeld des 67. Deutschen Mietertages in Magdeburg. „Zwar wurden wohnungspolitische Fragen insbesondere zu Beginn der Legislaturperiode wieder stärker in den Fokus gerückt, aber greifbare Ergebnisse blieben Mangelware. Notwendige Reformen blieben im Ansatz stecken oder konnten nicht realisiert werden, weil sich die Koalitionsparteien nicht einig waren, und die Union insbesondere mietrechtliche Verbesserungsvorschläge blockierte.“   

Wohnungsmarkt und Wohnungsneubau   

Obwohl die Wohnungsneubauzahlen seit 2013 um 29 Prozent auf zuletzt 277.691 Wohnungen gestiegen sind, reichen die Fertigstellungen bei weitem nicht aus, die seit Jahren bestehende und weiter anwachsende Wohnungsnachfrage zu decken. 
„Der jährliche Neubaubedarf liegt bei 400.000 Wohnungen. Damit sind allein in den beiden letzten Jahren 275.000 Wohnungen zu wenig gebaut worden. Mittlerweile fehlen 1 Million Wohnungen in Deutschland, vor allem in Großstädten, Ballungsgebieten und Universitätsstädten“, sagte der Mieterbund-Präsident. In erster Linie fehlen hier bezahlbare Mietwohnungen. Auch 2016 wurden vor allem Ein- und Zweifamilienhäuser sowie teure Eigentumswohnungen neu gebaut, aber nur 53.240 klassische Mietwohnungen.  

Das von Bundesbauministerin Dr. Barbara Hendricks ins Leben gerufene ‚Bündnis für bezahlbaren Wohnen und Bauen‘ hat erste Akzente gesetzt. Die Aufstockung der Bundesmittel für die soziale Wohnraumförderung und die Möglichkeit, „Urbane Gebiete“ für den Wohnungsbau auszuweisen, sind aber bisher die einzigen greifbaren Ergebnisse. Auf verbesserte Abschreibungsbedingungen für den Mietwohnungsbau oder eine steuerliche Förderung für den Neubau von bezahlbaren Mietwohnungen bei entsprechenden Mietobergrenzen konnte sich die Bundesregierung nicht verständigen.   

Sozialer Mietwohnungsbau   

Die Zahl der neu gebauten Sozialmietwohnungen hat sich seit 2013 praktisch verdoppelt, auf zuletzt 24.550 Wohnungen. Gleichzeitig hat die Bundesregierung die Finanzmittel für die soziale Wohnraumförderung für 2016 auf 1,018 Milliarden Euro verdoppelt und für 2017 und 2018 auf 1,518 Milliarden Euro verdreifacht. 2019 stehen wiederum 1,018 Milliarden Euro zur Verfügung. „Das ist positiv und das verbuchen wir auf der Haben-Seite unserer Bilanz für die Arbeit der Bundesregierung. Aber auch hier sind wir vom tatsächlichen Neubaubedarf für Sozialmietwohnungen noch meilenweit entfernt. Benötigt werden mindestens 80.000 bis 100.000 Sozialmietwohnungen pro Jahr“, erklärte Mieterbund-Präsident Dr. Franz-Georg Rips.  

Der Bestand an Sozialmietwohnungen schrumpft jährlich um 50.000 bis 60.000 Wohnungen. Aktuell gibt es in Deutschland nur noch 1,25 Millionen Sozialmietwohnungen. „Selbst wenn die Neubauzahlen aufgrund der höheren Bundesmittel und entsprechende Anstrengungen der Länder in den nächsten Jahren weiter ansteigen sollten, droht ab dem Jahr 2020 der Einbruch. Bund und Länder haben – gegen den Widerstand der Bundesbauministerin – vereinbart, dass ab 2020 ausschließlich die Länder für die soziale Wohnraumförderung zuständig sein sollen. Das halte ich für eine politische Fehlentscheidung. Dem sozialen Wohnungsbau droht so das Aus“, erklärte Rips.   

Wohngeld   

Seit Januar 2016 erhalten rund 870.000 Haushalte ein höheres Wohngeld bzw. haben wieder Anspruch auf diesen staatlichen Zuschuss zum Wohnen. Die Erhöhung von durchschnittlich 39 Prozent war 6 Jahre nach der letzten Anpassung des Wohngeldes längst überfällig. „Die Erhöhung des Wohngeldes selbst ist natürlich positiv. Aber die Chance auf eine Änderung der Wohngeldstruktur wurde nicht genutzt. Auf eine Indexierung der Wohngeldbeträge, letztlich die automatische Anpassung des Wohngeldes an gestiegene Wohnkosten, oder auf ein so genanntes Klimawohngeld konnte sich die Bundesregierung nicht verständigen“, kritisierte der Mieterbund-Präsident.   

Mietpreisbremse   

Die Wiedervermietungsmieten steigen ungebremst weiter. Die 2015 eingeführte Mietpreisbremse war gut gemeint, funktioniert aber nicht. Die Wiedervermietungsmieten lagen in den Großstädten 2016 im Durchschnitt 6,3 Prozent über den Wiedervermietungsmieten des Vorjahres. Sie sind damit noch stärker gestiegen als in den Jahren zuvor.   

Offensichtlich hält sich ein Großteil der Vermieter nicht an die gesetzlichen Regelungen. Mieter können die komplizierten und intransparenten gesetzlichen Vorschriften mit vielen Ausnahmetatbeständen kaum nutzen. 
„Wir haben bereits im September letzten Jahres Alarm geschlagen. Zwei von uns beauftragte Gutachten belegten, zwischen 66,5 und 94,8 Prozent aller Wohnungsangebote bzw. Wiedervermietungsmieten lagen in Berlin, Frankfurt, Hamburg und München über der Obergrenze der Mietpreisbremse, also der ortsüblichen Vergleichsmiete zuzüglich 10 Prozent. Die Notwendigkeit, bei der Mietpreisbremse nachzubessern, liegt auf der Hand. Die Bundesregierung und die Koalitionsparteien müssten ein Interesse daran haben, dass ein von Ihnen beschlossenen Gesetz auch funktioniert. Verbesserungsvorschläge von Bundesjustizminister Heiko Maas scheitern an der Union“, erklärte Dr. Franz-Georg Rips. „Änderungsanträge von Bündnis 90/Die Grünen bzw. der Linken fanden im Bundestag keine Mehrheit.“   

Bestandsmieten   

Nicht nur die Wiedervermietungsmieten steigen, auch die Mieten in bestehenden Mietverhältnissen klettern auf Rekordhöhe. Grund hierfür ist, dass die ortsüblichen Vergleichsmieten aus den Vertragsabschlüssen und Mieterhöhungen der letzten vier Jahre gebildet werden. Folge ist, dass neue Mietspiegel teilweise zweistellige Steigerungsraten ausweisen. In Berlin stieg die Vergleichsmiete innerhalb von zwei Jahren um durchschnittlich knapp 10 Prozent, in Stuttgart um bis zu 18 Prozent, und in Kiel und München weisen die neuen Mietspiegel Preissteigerungen von bis zu 20 Prozent aus. 
„Die Bundesregierung schaut dieser Mietpreisentwicklung tatenlos zu. Die Vereinbarung im Koalitionsvertrag, die Vergleichsmiete auf eine breitere Basis zu stellen, also zum Beispiel den Betrachtungszeitraum von 4 auf 8 oder 10 Jahre zu verlängern, wurde nicht eingehalten. Ein Referentenentwurf des Bundesjustizministers mit entsprechenden Regelungen scheiterte am Veto aus der Union. Damit bleibt es dabei: Die teuren Wiedervermietungsmieten von heute, die Wohnungssuchende zahlen müssen, sind die Bestands- und Vergleichsmieten von morgen, die alle zahlen müssen“, sagte der Mieterbund-Präsident.   

Klimaschutz und energetische Modernisierung   

„Wir sind für die Energiewende, für die klimapolitischen Ziele der Bundesregierung und für Effizienzsteigerungen bzw. den Einsatz erneuerbarer Energien im Gebäudebereich. Aber die damit verbundenen Kosten müssen sozialgerecht aufgeteilt werden. Obwohl im Klimaschutzplan 2050 beschrieben wird, dass Investitionen im Gebäudebereich vorgenommen werden müssen, ohne das Wohnen unverhältnismäßig zu verteuern, und dass die Auswirkungen steigender Kosten der Wohnraumversorgung mit großer Sensibilität zu prüfen sind, zieht die Bundesregierung keine Konsequenzen. Sie unternimmt nichts. Einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand bis 2050 gibt es nicht zum Nulltarif, er finanziert sich nicht aus sich selbst heraus. Vor der klaren Aussage, wer hierfür die Kosten tragen soll und in welchem Umfang, drückt sich die Bundesregierung“, sagte Dr. Franz-Georg Rips.   

Zurzeit können Vermieter 11 Prozent der Kosten einer Modernisierung auf die Jahresmiete aufschlagen. Mieterhöhungen von 30 bis 40 Prozent oder mehr sind keine Seltenheit. Erfahrungsgemäß macht die Heizkostenersparnis aufgrund einer energetischen Modernisierung etwa ein Viertel bis ein Drittel der Mietsteigerungen aus. Dieses drastische Missverhältnis sollte nach der Vereinbarung im Koalitionsvertrag angegangen werden. Mieterhöhungsspielräume sollten eingegrenzt und Mieter vor finanzieller Überforderung geschützt werden. Passiert ist nichts. Entsprechende Vorschläge des Bundesjustizministers blieben seit April 2016 im Bundeskanzleramt stecken, die Union blockiert alle Änderungsvorschläge – die Reduzierung und Begrenzung der Modernisierungsumlage, eine Härtefallregelung oder ein vereinfachtes Verfahren zur Berechnung der Mieterhöhung.   

Bestellerprinzip   

Mit dem seit Juni 2015 geltenden Bestellerprinzip bei der Wohnungsvermittlung hat die Bundesregierung eine langjährige Forderung des Deutschen Mieterbundes umgesetzt. „Das Bestellerprinzip funktioniert. Der einfache, ohne größere Ausnahmen umgesetzte Grundsatz ‚Wer bestellt, der zahlt‘ führt dazu, dass heute in aller Regel Vermieter die Maklerprovision zahlen müssen, nicht mehr die Mieter. Das ist positiv“, so der Mieterbund-Präsident.   

Mietrechtsreform 2. Teil   

Neben Regelungen zur ortsüblichen Vergleichsmiete und zur Einschränkung der Mieterhöhungsspielräume nach energetischen Modernisierungen sollte der zweite Teil des Mietrechtsreformpakets von Bundesjustizminister Heiko Maas auch Bestimmungen zur Wohnfläche und zur Kündigung wegen Zahlungsverzugs enthalten.   

Wohnfläche: Bei Mieterhöhungen auf die Vergleichsmiete oder nach einer Modernisierung und bei Betriebskostenabrechnungen soll es immer auf die tatsächliche Wohnfläche ankommen.   

Kündigung: Die Folgen einer fristlosen und einer ordentlichen Kündigung wegen Zahlungsverzugs sollten harmonisiert werden. Durch Nachzahlung der Miete soll der Mieter die Folgen der Kündigung, also die Räumung der Wohnung, verhindern können. Bisher gilt dies nur für die fristlose Kündigung.  

„Selbst auf diese – aus meiner Sicht unproblematischen – Rechtsänderungen konnten sich die Koalitionsparteien nicht verständigen“, kritisierte Rips.   

Fazit:   

Wohnungspolitische Themen haben in dieser Legislaturperiode an Bedeutung gewonnen. Das Bündnis für bezahlbaren Wohnen und Bauen hat entsprechende Signale ausgesendet. Die Finanzmittel für die soziale Wohnraumförderung und die Städtebauförderung wurden deutlich angehoben und das Wohngeld wurde erhöht. Das Bestellerprinzip bei der Wohnungsvermittlung wurde erfolgreich eingeführt.   

Auf der anderen Seite ist der Wohnungsfehlbestand auf 1 Million Wohnungen angewachsen und die Mieten bewegen sich auf Rekordniveau. Die Zukunft der sozialen Wohnbauförderung steht in den Sternen. Die Regelung zur Mietpreisbremse ist misslungen. Der zweite Teil der Mietrechtsreform, unter anderem mit Einschränkungen von Mieterhöhungsmöglichkeiten auf die Vergleichsmiete oder nach energetischen Modernisierungen, wurde nicht umgesetzt. Das Thema „Grundsteuerreform“ ist nach wie vor offen. Schlupflöcher bei der Grunderwerbssteuer – Share Deals – bestehen fort. Beim Bau von alters- und behindertengerechten Wohnungen gibt es keine Fortschritte. Das Thema „Wohnungsgemeinnützigkeit“ hat die Bundesregierung nicht aufgegriffen. Ansätze, den Kündigungsschutz zu verbessern, das Betriebskostenrecht oder die Mietwuchervorschrift des Paragrafen 5 Wirtschaftsstrafgesetz zu überarbeiten, gab es nicht.   

Insgesamt unbefriedigend.