Nach über 12 Jahren ändert die Staatsanwaltschaft Dessau ihre
Auffassung zu der Frage, ob Oury Jalloh sich selbst angezündet hat oder
ob davon auszugehen ist, dass er durch Fremdeinwirkung zu Tode kam. Und
geht von letzterem aus. Dazu erklärt die innenpolitische Sprecherin
Henriette Quade (Foto):
„Das ist nichts anderes als eine Zäsur in der Prozessgeschichte. Denn
das bestätigt erstmals von Seiten der Justiz den von der Initiative Oury
Jalloh seit Jahren erhobenen und polizeilich kriminalisierten Verdacht:
Oury Jalloh, das war Mord.
Die Dessauer Staatsanwaltschaft hat offenbar mehr als nur einen
Anfangsverdacht gehabt. Sie hat Untersuchungshypothesen aufgestellt und
konkrete Tatverdächtige benannt. Und just ab diesem Moment ist nicht
mehr Dessau für das Verfahren zuständig, sondern die Staatsanwaltschaft
Halle. Die kommt mit den gleichen Unterlagen zu einem gänzlich anderen
Schluss und entscheidet: es liegt kein Anfangsverdacht vor. Das ist
nicht nachzuvollziehen.
Zu all dem erfolgt eine Informationspolitik, die sich nur als Politik
der gezielten Nichtinformation beschreiben lässt. Grüne, SPD und CDU
verhindern im Landtag, dass der Rechtsausschuss Akteneinsicht nehmen
kann und das Justizministerium weist jede Problematisierung zurück.
Das stinkt zum Himmel und es reiht sich ein in eine lange Geschichte der
Vertuschung, Nichtaufklärung und verunmöglichter Aufklärung.
Fakt ist: Solange die Justiz den Verdacht ‚Oury Jalloh, das war Mord’
nicht ausräumen kann, ist es ihre Aufgabe, ihm nachzugehen. Wer das
verneint, der muss sich nach seiner Motivation fragen lassen und der
muss sich fragen lassen, was er damit eigentlich bezweckt, wenn nicht
Aufklärung zu verhindern.
Dass die Koalitionsfraktionen es ablehnten, sich die Akten, die die
Staatsanwaltschaften Dessau und Halle geprüft haben, anzuschauen, ist
angesichts der neuen Erkenntnisse fatal. DIE LINKE wird deshalb erneut
einen Antrag stellen, die den Rechtsausschuss auffordert, sich erneut
mit dem Thema zu befassen und Akteneinsicht zu nehmen.
Zudem ist sehr genau abzugleichen, inwiefern die Aussagen, die in der
letzten Sitzung des Rechtsausschusses durch den Generalstaatsanwalt und
die Staatsanwaltschaft Halle getätigt wurden, zu den heute bekannt
gewordenen Informationen passen. Dass die Gutachter mehrheitlich zu der
Auffassung gekommen sind, dass der Tod Oury Jallohs durch
Fremdeinwirkung wahrscheinlicher ist, als die Selbstanzündung, ergab
sich aus den Darstellungen nicht.
Klar ist: Abgeschlossen ist hier noch lange nichts. Der Fall Oury Jalloh
muss weiter untersucht, aufgeklärt und sämtliche Vorgänge dazu
aufgearbeitet werden. Die Justiz in Sachsen-Anhalt hat einmal mehr
bewiesen, dass das außerhalb Sachsen-Anhalts passieren muss."
Magdeburg, 16. November 2017