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Christian Lindner  Martin Rulsch  1

LINDNER-Interview: Es wird in Schleswig-Holstein einen Regierungswechsel geben.

Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner gab dem „Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag“ (Samstag-Ausgaben) das folgende Interview. Die Fragen stellten Dieter Schulz und Stefan Hans Kläsener:

Frage: Herr Lindner, gleich zu Beginn eine Aufgabe: Wenn Sie Bundesaußenminister wären, wie würden Sie das transatlantische Verhältnis beurteilen?

Lindner: Wir müssen in die aktive Rolle zurückfinden. Gegenwärtig bestimmt Herr Trump das Tempo und die Themen. Ich bin davon überzeugt, dass die G20-Präsidentin – und das ist Angela Merkel in diesem Jahr mit dem Treffen im Hamburg – sofort nach Washington reisen und dem US-Präsidenten klarmachen muss, wenn er über Strafzölle für deutsche Autos nachdenkt, dann denken wir über Einfuhrzölle auf Starbucks-Kaffee nach. Deutschland kann ja nicht bestraft werden, nur weil die Amerikaner keine Autos mehr bauen können, sondern ihr Geld mit iPhone & Co. verdienen. Also: Wenn Herr Trump über die Neuordnung von Handelsbeziehungen reden möchte, muss Frau Merkel deutlich machen: Gern, Mister President, aber wir haben auch Interessen.

Frage: Aber die Bundeskanzlerin bekommt ja keinen Termin …

Lindner: … Frau Merkel würde sofort empfangen werden, da bin ich mir sicher. Nun ja, sie hat mit Trump telefoniert, nach einer Woche. Inzwischen waren die Regierungschefs von Japan und Großbritannien schon persönlich im Weißen Haus.

Frage: Also ein Fehler der Bundeskanzlerin?

Lindner: Kontakte muss man pflegen und vertiefen. Stattdessen hat es Äußerungen aus der Bundesregierung gegeben, der Mann sei ein Hassprediger. Das war bestimmt weder feinfühlig noch diplomatisch. Auf der anderen Seite erleben wir eine eher zurückhaltend, ja ängstlich agierende Verteidigungsministerin. Und das bezweckt der neue US-Präsident ja. Einschüchtern, Angst verbreiten, um dann – wie er es sagen würde – bessere Deals abzuschließen. Ich empfehle hier eine Strategie des Gespräches, der großen Coolness und vor allem des selbstbewussten europäischen Auftretens. Wir sind 500 Millionen Menschen, einer der wichtigsten Wirtschaftsräume – ich denke, mit dieser Macht im Rücken kann man Klartext reden.

Frage: Mit anderen Worten – eigentlich ist das jetzt die Stunde Europas.

Lindner: Auch uneigentlich. Wer jetzt nicht begreift, dass wir unsere europäischen Werte, unseren Lebensstil und die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands nur gemeinsam vertreten können, dem ist nicht zu helfen. Verrückt, dass es dann auch noch autoritäre Parteien gibt, die Europa abwickeln wollen. Wir müssen die EU-Außengrenzen sichern, um uns aus der Abhängigkeit von Herrn Erdogan zu befreien. Wir müssen die Verfolgung der grenzüberschreitenden Kriminalität in den Griff bekommen, sonst werden wir die Schlagbäume innerhalb Europas nicht los, und wir müssen die Folgen des Brexit meistern.

Frage: Das spricht für einen Bundeskanzler Martin Schulz.

Lindner: Herr Schulz hat bei der Wahl von François Hollande kräftig Beifall gespendet, dessen Wirtschafts- und Finanzpolitik inzwischen krachend gescheitert ist. Herr Schulz hat Steuertricks in Luxemburg, dem Land seines Freundes Jean-Claude Juncker lange mitgetragen und ist der Auffassung, wir müssen in Europa ordentlich Schulden machen, um Wachstum zu generieren statt Reformen voranzutreiben. Ich weiß nicht, ob das die besten Referenzen sind, unser Land politisch zu führen. Und was Herr Schulz in Deutschland vorhat, ist ja noch völlig unklar.

Frage: Wenn man den Umfragewerten im Norden glauben kann, scheint die FDP wieder gebraucht zu werden: Wegen der Stärke der AfD oder der Schwäche von CDU & SPD?

Lindner: Das ist ja in der Marktwirtschaft immer so – man entscheidet sich für etwas, das man besser findet. Wir haben gegenwärtig zwei Pole im Parteiensystem: Auf der einen Seite ist eine autoritäre Partei, die die gleiche gesellschaftspolitische Überzeugung wie Putin hat und zu einem Europa der Vaterländer zurück will. Als es das gab, mussten wir die Bruderkriege in Europa beklagen. Auf der anderen Seite – die Parteien im Bundestag haben alle den erhobenen Zeigefinger und wissen moralisch genau, was zu tun ist. Sie versuchen, alle Unterschiede zu nivellieren – sind also grün. Und zwischen dem Autoritären und dem angegrünten Mainstream muss es noch etwas anderes geben. Jemand, der auf den Einzelnen setzt, Respekt vor Leistung und Eigentum hat. Jemand, der davon überzeugt ist, dass die besten Tage unseres Landes noch kommen. Wenn wir unser Schicksal in die eigenen Hände nehmen.

Frage: Auf dem Weg zurück in den Bundestag – welche Bedeutung hat die Landtagswahl in Schleswig-Holstein für die Liberalen?

Lindner: Eine enorme Bedeutung! Es wird in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sicher einen Regierungswechsel geben, die rot-grünen Mehrheiten werden abgewählt werden. Wie im vergangenen Jahr in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Das hängt mit der die Wirtschaft bremsenden Bürokratie und einer katastrophalen Bildungspolitik zusammen. Nehmen Sie die Inklusion: Da werden Kinder mit Behinderungen zu Opfern von Ideologie. Ein gutes, vielleicht zweistelliges Wahlergebnis in Schleswig-Holstein, das sogar die Chance auf Schwarz-Gelb eröffnet, würde für uns den Wahlkampf-Turbo zünden.

Frage: In Kiel steht die Küstenkoalition auf der Kippe. Robert Habeck hat zu möglichen anderen Bündnissen betont, die Liberalen seien näher an der grünen Politik als die Schwarzen. Ist Ihnen auch Rot-Grün-Gelb näher als Jamaika?

Lindner: Das müssen die Kollegen hier an der Küste selbst beurteilen. In Nordrhein-Westfalen allerdings steht eine Ampel nicht zur Debatte.

Frage: Wolfgang Kubicki ist das Gesicht, das Herz und der Wahlkampfmotor der Nord-FDP. Haben Sie gar kein schlechtes Gewissen, ausgerechnet ihn nach Berlin zu holen?

Lindner: Erstens hat Schleswig-Holstein mit Heiner Garg und Christopher Vogt weitere starke Persönlichkeiten. Und zweitens ist Wolfgang Kubicki so gut, der wird überall gebraucht. Er ist eine ganz starke und respektierte Stimme der Rechtsstaatlichkeit: Die FDP ist die Partei, die die GSG 9 gegründet hat, und die FDP ist die Partei, die sich gegen die flächendeckende Überwachung einsetzt.

Frage: Aber Sie kennen auch sein Lebensalter …

Lindner ( Foto ) : Natürlich. Er hat noch neun Jahre, dann ist er so alt wie Wolfgang Schäuble heute. Und der will ja weitermachen. Also für die nächsten zehn Jahre muss ich mir da keine Sorgen machen.