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Lucy & Dicki, Teil 19 – Eine Geschichte von Annemarie Stern aus Haldensleben

Das vergiftete Fleisch

Haldensleben, 17. Februar 2019


Eine Geschichte von Annemarie Stern

Lucy und Dicki freuten sich immer noch sehr über das Wiedersehen mit ihrem Prinzesschen. Sie beschlossen zu dem Busch zu laufen, unter dem sie Prinzesschen gefunden hatten. Vielleicht würden sie dann gemeinsam erschnüffeln, wo ihr Kind nun lebt. 

Bereits am nächsten frühen Morgen trafen sich Lucy und Dicki zu ihrer Spurensuche. Aber ihre Nasen witterten keinen neuen Abdruck von ihrem Prinzesschen. Dafür schnupperte Lucy aufgeregt an einem Fleischstück. Das roch aber gut! Aufgeregt miaute sie. Sofort kam Dicki angelaufen. Gemeinsam zerrten sie Stück für Stück von dem Brocken ab, um ihn gierig zu verschlingen. Aber auch andere Tiere hatten das verlo-ckende Fleisch bereits gerochen. Schon bald entbrannte ein heftiger Streit unter Hunden und Katzen. Dann stürzte sich auch noch aus der Luft eine hungrige Krähe in das Getümmel. Da wurde es Lucy und Dicki zu unbehaglich. Sie überließen kampflos ihre Beute der sich immer heftiger streitenden Tiermeute. Das Knurren, Miauen und das „Kra-Kraaa!“ der Krähe, waren unerträglich und machten ihnen Angst. Sich immer wieder umschauend, verließen sie diesen turbulenten Ort. Dabei erblickten sie die schadenfrohen Gesichter zweier Halbwüchsiger, die als Tierhasser bei Hunden und Katzen gefürchtet waren. Alle Dorftiere machten einen Riesenbogen um die Zwei. Diese Jugendlichen trieben mit den Dorfhunden und Katzen so manchen Schabernack. Hauptsache, sie waren klein genug. An größere Tiere wagten sie sich nicht heran.     



Lucy und Dicki liefen zum Hohen Hof. Aber unterwegs breitete sich eine nie gekannte Müdigkeit in  ihren Körpern aus. Sie wurden immer langsamer. Sie gähnten immer häufiger. Dabei bekamen sie fast eine Maulsperre. Sie konnten auch nicht mehr auf den Torpfosten springen, um in den Hohen Hof zu gelangen. Mit letzter Kraft schoben sich die Beiden mühevoll durch den schmalen Spalt des Tores hindurch. Anne fand die beiden Racker schlafend auf den Gehwegplatten liegend. Sie erschrak sehr und rief ihren Walter zu Hilfe. Gemeinsam trugen sie Lucy und Dicki ins Haus und legten sie auf ihre Schlafdecken. Aber, als die Katzen auch nach Stunden immer noch schliefen, bekam Anne es mit der Angst zu tun. Sie rief in ihrer Not in der nächsten Tierarztpraxis an. Aber sonntags war keine Sprechstunde. Anne telefonierte in ihrer Sorge mit dem alten Tierarzt Dr. Brömmel. Der betagte Tierarzt versprach, sofort zu kommen. 

Als Dr. Brömmel mit seinem Fahrrad durch den Ort fuhr, sah er die verschiedensten Katzen und Hunde auf der Straße, in Vorgärten und auf Gehwegen liegen. Erschrocken dachte er: „Eine Seuche? Sind diese Tiere von einer Seuche befallen worden?“ Eilig zog er seine Gummihandschuhe an, und schleppte trotz seines Alters die Tiere aus der Gefahrenzone von der Fahrbahn und legte sie auf dem Gehweg ab. Er klingelte an jedem Haus, zu dem ein Tier gehören könnte. Das war eine Aufregung unter den Bewohnern der Kleinstadt. Alle schnatterten durcheinander. Aber keiner von ihnen hatte etwas Ungewöhnliches beobachtet. Nun fuhr der Doktor so schnell er konnte zu Anne und Walter. Dort nahm er Lucy und Dicki genau in Augenschein. Er untersuchte sie gründlich. Dann sagte er zu der fassungslosen Anne: „Die Tiere wurden betäubt. Ob sie wieder aufwachen, kann ich leider auch nicht sagen. Vielleicht müssen sie nur ausschlafen und alles ist wieder gut. Im Städtchen habe ich noch einige dieser bedauernswerten Geschöpfe gesehen, die es nicht bis zu ihrem Zuhause geschafft haben. In einem kleinen Ort wie in unserem, sollte es möglich sein, diese Tierquäler dingfest zu machen! 



Der Doktor und Walter machten sich auf den Weg zu Herrn Silbernagel, um mit ihm einen Plan abzusprechen. Danach legte Herr Silbernagel Bello und Falko an ihre Leinen. „Such, such!“,  befahl er ihnen. Gemeinsam folgten Dr. Brömmel, Walter und Herr Silbernagel den aufgeregt witternden Hunden. Als die Beiden an den im Tiefschlaf liegenden Hunden und Katzen rochen, gab Bello ein böses Knurren von sich und Falko winselte verstört. An der Stelle, an der die Tiere das Fleisch gefressen hatten, gaben beide Hunde Laut. Sie hatten eine Spur aufgenommen. Sie zogen die Männer mit, bis sie vor dem Haus der beiden Übeltäter standen. Nach ihrem Klingeln öffnete der Vater von Jan und Josef. Er hörte sich mit Entsetzen die Anklagen der Dorfbewohner und des geachteten Doktor Brömmel an. Dass ihre Zwillinge öfter mal über die Stränge schlugen, war für ihn nichts Neues. Aber Tierquälerei? Streng fragte der Vater seine Söhne: „Warum quält ihr die Tiere? Habt ihr keine anderen Interessen? Ich bin wahnsinnig enttäuscht von eurem Verhalten! Eine angemessene Bestrafung werde ich mir noch überlegen.“

Die Mutter schluchzte in ihr Taschentuch. Jan und Josef senkten vor Scham ihre Köpfe. Stotternd erklärten sie ihren Eltern: „Wir haben es aus Langeweile getan! Wir wollten einfach mal einen Kick erleben! Was ist in unserer Kleinstadt schon los? In die Stadt fahren dürfen wir nur mit euch und das ist auch langweilig!“ Da wurde ihr Vati so richtig ärgerlich: „Was, jetzt macht ihr auch noch uns für euer unentschuldbares Verhalten verantwortlich! Unerhört! Ich werde…“ „Stopp!“, unterbrach Dr. Brömmel. „Ich denke, ich kenne für Jan und Josef eine Aufgabe, die ihnen Respekt vor Tieren beibringt und ihnen gleichzeitig die Langeweile vertreibt. Vielleicht sollten sie eine Zeit lang in einem Tierheim arbeiten. Das verringert ihre Langeweile und dort werden sie auch Achtung für Tiere entwickeln können.“

Lucy, Dicki und alle anderen Tiere wachten am nächsten Tag etwas entkräftet wieder auf.

Jan und Josef fuhren zuerst einmal, dann freiwillig zweimal und nun bereits zum dritten Mal in der Woche zum Tierheim. Jan hat sein Herz an einen kleinen Dackel und Josef an einen jungen Boxer verloren. Sie geben fast ihr ganzes Taschengeld für ihre Lieblinge aus. Beide entdeckten sehr schnell  ihre Liebe zu Tieren und schämten sich nachträglich für ihr Verhalten in der Vergangenheit. 

Jan und Josef haben das Geheimnis, warum alle Tiere, die von dem Fleisch gefressen haben, in einen Tiefschlaf versunken sind, an Dr. Brömmel verraten. Aber Dr. Brömmel hat ihnen mit Handschlag geschworen, dass er dieses Geheimnis für sich behalten würde. Und das hat er bis zum heutigen Tag auch getan.