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Drei von fünf deutschen Autohändlern glauben nicht mehr an das eigene Geschäftsmodell

Donnerstag, den 8. November 2018


Das klassische Autohaus wird sich in den nächsten Jahren stark wandeln, zeigt eine PwC-Studie / Zwar ist der Händler für 56 Prozent der Kunden der wichtigste Ansprechpartner / Zugleich steigt jedoch die Bereitschaft, direkt beim Automobilhersteller oder über eine Online-Plattform zu kaufen / Wollen Konzerne und Autohäuser die Hoheit über den Vertrieb verteidigen, müssen sie sich enger verzahnen / Dem unabhängigen Händlermodell könnte damit langfristig das Aus drohen.


Die Mehrzahl der deutschen Autohändler ist sich bewusst, dass die Zukunft neue Geschäftsmodelle und innovative Konzepte erfordert. Das zeigt die Studie "The Future of Automotive Retail" der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC, der eine Befragung unter 1.800 deutschen Händlern zugrunde liegt. So meinten 58 Prozent der Befragten, das traditionelle Autohaus werde in den nächsten Jahren merklich an Bedeutung verlieren. Als größte Bedrohung für das klassische Distributionsmodell gelten der Direktvertrieb der Hersteller (82 Prozent) und unabhängige Verkaufsplattformen im Internet (72 Prozent). Zudem stellt jeder zweite Händler fest, die Loyalität der Kunden sowohl gegenüber der Marke als auch gegenüber dem angestammten Händler nehme ab.

Auf den ersten Blick steht der besorgte Ausblick im Widerspruch zu einer weiteren Umfrage, die PwC parallel unter 1.000 deutschen Verbrauchern durchführte. Die gaben nämlich mehrheitlich (56 Prozent) an, der Händler sei beim Kauf eines Autos weiterhin die wichtigste Informationsquelle. Darüber hinaus erklärten 84 Prozent der Befragten, sie könnten sich "unter keinen Umständen" vorstellen, ein Auto völlig ohne vorherige persönliche Beratung zu erwerben. Gibt es also gar keinen Grund zur Sorge? "Tatsächlich lässt sich dieser vermeintliche Widerspruch allerdings auflösen", sagt Felix Kuhnert, Global Automotive Leader bei PwC: "Die Autohäuser als solche werden nicht verschwinden. Aber sie werden ihr Geschäftsmodell weiterentwickeln, und um neue maßgeschneiderte Dienstleistungen rund um Mobilität und Beratung erweitern müssen. In Zukunft unterschreibt der Kunde im Autohandel kein Verkaufsvertrag mehr, idealerweise bekommt er dort möglichst unkompliziert das passende Mobilitätskonzept bereitgestellt.

Jeder zweite Kunde ist offen für Autokauf via Online-Plattform

Traditionell agieren die Händler hierzulande weitgehend unabhängig von den Autokonzernen - selbst wenn sie ausschließlich die Marke eines einzigen Herstellers vertreiben. Die Automobilhersteller setzen den Händlern zwar gewisse Standards. Innerhalb dieser Leitplanken sind die Autohäuser aber selbstständig - auch und gerade, was die Preissetzung anbetrifft. "Ob sich dieses Geschäftsmodell angesichts der im Internetzeitalter fast völligen Preistransparenz noch lange aufrechterhalten lässt, ist allerdings fraglich", sagt PwC-Automotive-Partner Simon Ström.

So zeigt die Umfrage: Auch, wenn Kunden weiterhin die persönliche Beratung im Autohaus suchen, heißt das nicht, dass sie das Fahrzeug letzten Endes auch wirklich beim stationären Händler kaufen. So gaben knapp zwei Drittel der befragten Verbraucher zu Protokoll, sie könnten sich gut vorstellen, ihr Auto direkt beim Hersteller zu erwerben. Und immerhin jeder zweite zeigte sich offen für den Kauf über eine Online-Plattform. "Damit laufen nicht nur die Händler, sondern auch die OEM Gefahr, dass es am Ende unabhängige Drittanbieter sind, die das Geschäft machen", verdeutlicht PwC-Experte Marco Fischer.

Aus unabhängigen Händlern werden Vertriebsagenten der OEM

Die PwC-Studie kommt daher zu dem Schluss, dass sich Hersteller und Autohäuser in Zukunft deutlich enger verzahnen müssen, um die Hoheit über den Vertrieb zu verteidigen. Folge: Das Händlermodell dürfte in den nächsten Jahren sukzessive einem Agentenmodell weichen, in dem die Autohäuser nicht nur von ihrer selbstbestimmten Preisspanne leben, sondern von einer Vertriebsprovision, die sie von den OEM erhalten. "Die Autokonzerne werden in dieser Konstellation eindeutig den Ton angeben - während die meisten Händler nur dann überleben, wenn sie die neue Rolle als stationäre Verkaufspartner und individuelle Mobilitätspartner annimmt", sagt Felix Kuhnert.

Bei dieser Entwicklung handelt es sich mitnichten nur um Zukunftsmusik. So testet Mercedes derzeit neue Modelle des Direktvertriebs - freilich unter Einbeziehung der Händler. Volkswagen wiederum hat jüngst angekündigt, von 2020 an neue Händlerverträge einführen zu wollen. Diese Kontrakte gehen zumindest ansatzweise schon in Richtung Agentenmodell. Und BMW schließlich vertreibt seinen i3 schon seit Jahren testweise über ein Netz sogenannter "BMW i-Agenten". Spannenderweise zeigt die PwC-Umfrage allerdings auch: Viele Autohäuser sind gewillt, an der Neuausrichtung des eigenen Geschäftsmodells mitzuwirken. So planen 49 Prozent der befragten Händler in den nächsten Jahren Investitionen, um sich zum "Mobility Service Provider" weiterzuentwickeln, der seinen Kunden dann zum Beispiel Carsharing-Angebote unterbreiten kann. "Genau das sind aber die Schritte, bei denen die Anbieter vor Ort fast zwingend auf die Unterstützung der Hersteller angewiesen sind", so Simon Ström. "Insofern sprechen auch solche Trends eher für als gegen das Agentenmodell."