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nicola beer

BEER-Gastbeitrag: Eine starke EU geht nur ohne die Türkei.

Die FDP-Generalsekretärin Nicola Beer schrieb für die „Huffington Post“ den folgenden Gastbeitrag:

Fast muss man ihm dankbar sein. Sein Regierungsstil in der Manier eines patriarchalischen Unternehmers, sein Machtgebaren und sein Umgang mit Menschenrechten haben die halbe Welt entsetzt. Und möglicherweise ist genau dieses Entsetzen über Donald Trump die Initialzündung, die die EU benötigt.

Ein Weckruf, der Kräfte mobilisiert, um die europäische Idee wieder zum Strahlen zu bringen. Denn Trumps Protektionismus, seine Gedankenspiele zu Folter und Atomwaffen, seine Absage an den Freihandel zeigen es deutlich: Eine starke europäische Gemeinschaft ist wichtiger denn je.

Eine Gemeinschaft, die nicht nur an Wirtschaft und Währung gebunden ist, sondern die eine Geisteshaltung, ein Selbstverständnis widerspiegelt. Trump macht uns klar: Was wir in den USA gefährdet sehen – in Europa haben wir es. Noch.

Es sind die Werte der Aufklärung, der christlich-jüdischen Wurzeln, der Erkenntnisse, die wir aus zwei verheerenden Kriegen gewonnen haben. Uns vereinen Werte, die Frieden und Freiheit über Jahrzehnte ermöglichten, die Wohlstand geschaffen haben, auf die wir uns aber wieder besinnen müssen. Und die es nach vorne zu verteidigen gilt.

Die Europäische Union, das ist blühende Vielfalt auf einem gemeinsamen Fundament. Uns eint neben der Kultur, dass es keine Todesstrafe, dass es freie Meinungsäußerungen, Reise- und Niederlassungsfreiheit gibt.

Das sind Werte, die für uns so selbstverständlich sind, dass wir deren Kostbarkeit nicht mehr herausgestellt haben. Dass solche Werte keine Selbstverständlichkeit sind, wird uns jetzt bewusster denn je.

Die EU muss diese Werte glaubhaft und offensiv vertreten – das geht jedoch nicht, wenn man sich von einem Autokraten wie Erdogan abhängig macht, der im eigenen Land den Rechtsstaat bekämpft. Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei müssen deshalb sofort beendet werden.

Das geht nicht, wenn man nicht in der Lage ist, diese Werte gegen Angriffe von außen selbst zu verteidigen. Das Fehlen einer EU-Sicherheitsstrategie und einer gemeinsamen Außen- und Entwicklungspolitik wird seit Langem beklagt.

Nun zeigt sich überdeutlich, wozu sie dienen: dem Bewahren der freien, pluralistischen, demokratischen Gesellschaft auf unserem Kontinent. Trump möchte sein NATO-Engagement einschränken? Dann muss man über eine europäische Armee nachdenken, allein, um unseren mittel-osteuropäischen Nachbarn Sicherheit zu geben. Putins Truppen stehen vor der Haustür.

Schon als in den 1990er Jahren der Balkankrieg auf unserem Kontinent tobte, war es beschämend, dass Europa erst die USA um Hilfe rufen musste, um dem Völkermord Einhalt zu gebieten. Trump möchte den Freihandel mit Asien stoppen? Dann muss die EU diese Chance nutzen und Freihandelsabkommen mit Asien selbst auf den Weg bringen.

Das vereinigte Europa muss wieder eine Herzensangelegenheit der Bürger werden, so wie es das für seine Gründergeneration war. Das erreicht man nicht, indem man die Krümmung von Gurken und den Nitratgehalt von Schwarzwälder Schinken vorgibt.

EU-Bürokratismus hat durch derartige Regelungen in die Traditionen und Identität europäischer Nationen eingegriffen – und damit von den eigentlichen Werten abgelenkt. Das muss sich wieder ändern. Die EU muss die große Linie vorgeben, aber den Staaten Chancen auf eigene Entfaltung lassen.

Kümmern wir uns also um EU-weite, moderne Infrastruktur bei Digitalisierung und Strom, statt um die Inhaltsstoffe jahrhundertealter, kulinarischer Spezialitäten. Zwangsgemeinschaften haben keine Chance – das hat uns die verordnete Brüderlichkeit im Warschauer Pakt gelehrt.

Die EU muss eine Gemeinschaft der Freiwilligen bleiben, die sich aus Überzeugung für die gemeinsamen Werte zur Verbindlichkeit verpflichten. Dafür muss sie ihren Bürgern Sicherheit bieten – an den Außengrenzen, mit einer stabilen Währung, in Selbstbestimmung.

Sie muss in die Zukunft weisen und Zukunft geben. Gerade kleinere Staaten dürfen nicht das Gefühl bekommen, dass über ihren Kopf hinweg zu ihren Lasten entschieden wird. Dieser Eindruck – verstärkt durch Deutschlands Vorpreschen in der Flüchtlingspolitik – muss rasch korrigiert werden.

Und Deutschland muss seine Rolle in diesem Prozess definieren und annehmen: Das heißt Verantwortung übernehmen und Verlässlichkeit ausstrahlen. Trump prophezeit weitere Austritte à la Brexit? Es liegt an der EU selbst.

Statt mit Drohgebärden gegen Großbritannien andere abschrecken zu wollen, sollte die Attraktivität erhöht werden, um andere anzuziehen. Vielleicht auch die einzige Demokratie im Nahen Osten? Israels Innovationskraft und Sicherheitskompetenz würden der EU gutstehen. Bedeutend besser als Erdogans Türkei.