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Aus dem Gerichtssaal: Wohnsitzverpflichtung in der Erstaufnahmeeinrichtung muss für hochschwangere Asylbewerberin aufgehoben werden

Donnerstag, den 30. April 2020

Eine kurz vor der Entbindung stehende Asylbewerberin muss nicht weiter in der Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Dresden wohnen. Das Verwaltungsgericht Dresden verpflichtete die zuständige Landesdirektion Sachsen mit Beschluss vom 24. April 2020 dazu, die für die Antragstellerin bestehende Wohnsitzverpflichtung aufzuheben (Az.: 11 L 269/20.A).

Nach den gesetzlichen Bestimmungen können volljährige Asylbewerber bis zu einer Dauer von 18 Monaten verpflichtet werden, in der für sie zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Bei minderjährigen Kindern und ihren Eltern beträgt die Dauer dieser Verpflichtung längstens sechs Monate. Die Antragstellerin stellte im August 2019 einen Asylantrag und wohnte bisher in der Erstaufnahmeeinrichtung in Dresden, wo sie sich ein 36 qm großes Zimmer mit drei weiteren Frauen teilte. Mitte Mai 2020 erwartet sie ein gemeinsames Kind mit ihrem Ehemann, der als anerkannter Flüchtling in Dresden lebt und bei dem sich die Antragstellerin nach Kenntnis der Behörde auch jetzt schon überwiegend aufhält. 

Am 11. März 2020 stellte sie beim Antragsgegner den Antrag, ihre Wohnsitzverpflichtung aufzuheben. Nachdem dieser darauf nicht reagierte, suchte sie am 17. April 2020 um gerichtlichen Rechtsschutz nach.  Aufgrund der gegenwärtigen Pandemielage, des hohen Infektionsrisikos in der Aufnahmeeinrichtung, ihrer besonderen Situation infolge der Schwangerschaft sowie der unmittelbar bevorstehenden Entbindung sei sie von der Wohnsitzverpflichtung zu entbinden.

Dem trat der Antragsgegner mit den Argumenten entgegen, dass sich die Antragstellerin ohnehin nur kurzzeitig in der Einrichtung aufhalte, so dass sie keinem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt sei. In der Erstaufnahmeeinrichtung in der Hamburger Straße in Dresden gebe es zudem  keine bestätigten Fälle von an Corona erkrankten Bewohnern. Zudem bestehe ein umfangreicher Maßnahmenkatalog um das Eindringen des Virus dort zu unterbinden.

Das Gericht folgte dem nicht. Es sei unerheblich, wie lange die Antragstellerin sich tatsächlich in der Einrichtung aufhalte. Immerhin sei sie dort zwingend zur Wohnsitznahme verpflichtet und verhalte sich regelwidrig, wenn sie sich daran nicht halte. Ob in der Aufnahmeeinrichtung  bereits erkrankte Bewohner festgestellt worden seien, sei ebenfalls nicht entscheidend. Erheblich sei einzig, ob ein potentielles Infektionsrisiko bestehe, was nicht ausgeschlossen werden könne. Exemplarisch benannte das Gericht  insoweit "die zwingend gebotene Benutzung der sanitären Gemeinschaftsanlagen" mit einer "lediglich zur Verfügung stehenden Kaltwasserversorgung". 

Die vom Antragsgegner in der Einrichtung getroffenen Vorsorgemaßnahmen vermochten den Richter jedenfalls in Bezug auf die Antragstellerin nicht zu überzeugen.  Diese gehöre wegen ihrer unmittelbar bevorstehenden Entbindung zu einer besonders zu schützenden Personengruppe und sei nach Auffassung des Gerichts zudem auf die "(Lebens-)Hilfe" ihres Ehemannes angewiesen Der Schutz besonders verletzlicher Personen finde im Maßnahmenkatalog des Antraggegners noch nicht einmal Erwähnung. Auf grundsätzliche Fragen komme es hier aber nicht an, jedenfalls sei aufgrund der konkreten Situation der Antragstellerin die Wohnsitzverpflichtung zu beenden.

Der Beschluss ist unanfechtbar.