Gelehrtes Wissen und die Geburt der Universität
Von
Uta Luise Zimmermann-Krause
Wenn im 12. Jahrhundert der Gelehrte Peter Abaelard
der Vernunft den Vorrang in allen Fragen schenkte, war es gleichbedeutend mit
einer Abkehr von der dominanten Kirchenmeinung. Es begann eine unruhige Zeit –
auch für Abaelard, der darüber hinaus noch ein Verhältnis mit seiner Schülerin
Heloise begann. Es fanden sich Gruppen von Schülern und Lehrern zusammen, die
lebenslang um die Vormacht stritten.
Damit schufen sie intellektuelle Veränderungen, denn
das gelehrte Wissen fächerte sich in unterschiedliche Disziplinen auf und
führte schließlich zur Gründung der ersten Universität. Spannend erzählt,
gelingt es Frank Rexroth, Professor für Mittlere und Neuere Geschichte
an der Georg-August-Universität Göttingen, in seinem neuen Buch «Fröhliche
Scholastik –Die Wissenschaftsrevolution des Mittelalters», erschienen im Verlag
C.H.Beck, Geschichtsinteressierten
den Umbruch in der Lehre des Mittelalters zu vermitteln. Am Ende dieser
epochalen Wende europäischer Intellektualität steht nicht nur die Geburt der
Universität. Diese neue intellektuelle Lebensweise führte direkt zur heutigen
Wissenschaft. Im 12. Jahrhundert wurden diese Lebensweisen, die
Denkgemeinschaften und Handlungsgemeinschaften zugleich darstellten, nach
spätrömischem Vorbild als scholae
bezeichnet. Disciplina erscheint als
Leitbegriff aller Bemühungen auf das «Sich einlassen» auf wissenschaftliche
Gegenstände, auf Referenztexte der Antike sowie die Anwendung der Eigenlogik
zum Verständnis dieser geistig behandelten Dinge. Und da schon seit der
Frühzeit der Menschheit Kulturaustausch stattfand, liegt es wohl nahe, dass die
Alchemie aus dem arabischen Raum nach Europa drang. So schrieb Artephius, ein arabischer Alchemist, in
Latein über Alchemie und zitiert auch den arabischen Alchemisten Adfar aus dem 11.
Jahrhundert in Alexandria. Im 12. Jahrhundert bildete sich die Tendenz heraus,
dass der Lehrer mit seinen Schülern bestens etablierte Schulen verließ, um den
Unterricht unter eremitischen Bedingungen fortzusetzen. Der Lehrer bot sein
Wissen allen, die zu ihm kamen, kostenlos an. Konventionelle Karrieren wurden
damit aufgegeben. Doch der Konvent von St. Victor schuf sich schon bald (1113)
eine neue Identität mit starker Bindung zu König und Ortsbischof, von der sich
die Regularkanoniker einen Zuwachs an Macht versprachen.
So entstand eine Schule neuen Typs. Dass jedoch
Konflikte zwischen dem Althergebrachten und den unter neuen Erkenntnissen
entstandenen Schulen sich ankündigten, ist mehr als naturgegeben. Und so lassen
sich erste wissenschaftliche Kommunikationen nachweisen. Ein brillanter
Vertreter der neuen Lehrart war genannter Peter Abaelard (* um 1079), ein
Rittersohn aus der Bretagne. Er verzichtete auf sein Erbe, um «Ritter der
Feder» zu werden. Er griff zu eigentümlichen Methoden, um die auferlegten Regeln
des Königs zu umgehen. Peters Werk ist das umfangreichste seiner Zeit in der
Welt der Gelehrtenwenn es zum Ausdruck bringt: «Die Vernunft steht über dem
Gesetz, dieses über der Gewohnheit.» Später wandte sich Abaelard ab vom
eremitischen Dasein und bevorzugte offene gelehrte Schulen mit Hinwendung zum
antiken Wissen wie etwa in Paris, der Stadt um 1100 als Anziehungspunkt zur
Ausprägung moderner Schulen. Wie sich zwei unterschiedliche Lebensentwürfe
entwickeln konnten und wissenschaftliche Scholastik entstehen konnte, dies und
mehr wird im Buch «Fröhliche Scholastik –Die Wissenschaftsrevolution des
Mittelalters» von Frank Rexroth spannend und facettenreich erzählt.
Fröhliche Scholastik -
Die Wissenschaftsrevolution des Mittelalters.
505 Seiten, 8 farbige Abbildungen und 6 Karten,
gebunden, Hardcover, Schutzumschlag,
Verlag C.H.Beck, 2018
ISBN 978-3-406-72521-0
Preis: 26,95 EUR