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Aktuelle Nachrichten aus dem Bundestag

Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Do., 19. November 2020

  1. Mehr Finanzstärke der Kommunen gefordert
    Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen/Ausschuss
  2. Minister Müller gegen pauschale Reisewarnungen
    Tourismus/Ausschuss
  3. Deutscher Nachhaltigkeitspreis: Wertschätzung für die Besten
    Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung/Ausschuss


01. Mehr Finanzstärke der Kommunen gefordert

Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen/Ausschuss

Berlin: (hib/FLA) In die Kassen der Städte und Gemeinden müsse mehr Geld fließen - bei Entlastung von den Altschulden. Darin waren sich die Experten einig, als sie einen Antrag der Fraktion Die Linke (19/17772) und zwei Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/10639 und 19/10640) zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet bewerteten. Die Anhörung im Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen wurde von Mechthild Heil (CDU/CSU) geleitet.

Martin T. W. Rosenfeld (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) verwies insbesondere auf eine Reform der kommunalen Besteuerung, die für gleichwertige Lebensverhältnisse sorgen könne. Da entsprechende Maßnahmen bereits seit Jahren angemahnt würden, solle hier endlich schnellstmöglich angesetzt werden. Bei den wirtschaftspolitischen Maßnahmen sei die Bundesebene vor allem mit der zügigen Durchführung von Behördenverlagerungen angesprochen.

Klaus-Heiner Röhl (Institut der deutschen Wirtschaft) meinte, in den Bereichen Demographie, Infrastrukturausstattung und Wirtschaftsentwicklung seien erhebliche Probleme für eine Reihe von Regionen festzustellen, so dass es gute Gründe für wirtschaftspolitische Eingriffe gebe. Die Kommunalfinanzen sollten in den Blick genommen und regionale Infrastrukturinvestitionen gestärkt werden. Die wichtige Rolle regionaler Familienunternehmen solle stärker berücksichtigt werden. Sie böten Beschäftigung und zahlten die Gewerbesteuer.

Andreas Kallert (Philipps Universität Marburg) befand, die Kommunen benötigten zuvorderst eine finanzielle Ermächtigung, damit sie eigenständig gestalten und wirken könnten. Die Abhängigkeit von Projektförderung für Infrastrukturen und Daseinsvorsorge solle zugunsten einer auskömmlichen Finanzausstattung reduziert werden. Es seien insbesondere die sozial benachteiligten Gruppen, die auf eine gute Daseinsvorsorge und soziale Infrastrukturen angewiesen seien. Von der Ausgabenlast durch soziale Aufgaben seien wirtschaftsschwache Kommunen deutlich mehr betroffen als wirtschaftsstarke. Die Altschulden würden für sie zum Teufelskreis.

Matthias Wohltmann vom Deutschen Landkreistag erklärte, eine "Hilfe zur Selbsthilfe für Kommunen", wie er es nannte, müsse insbesondere auf eine Stärkung der originären Steuerausstattung der Kommunen zielen. Dazu bestehe angesichts eines Anteils der Kommunen an den öffentlichen Ausgaben von rund 25 Prozent und eines Anteils an den originären Steuereinnahmen von rund 14 Prozent noch eine Menge Luft. Er setzte sich für eine Erhöhung des kommunalen Umsatzsteueranteils ein, die einwohnerbasiert zu verteilen sei.

Markus Eltges (Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung) verwies auf eine Reihe von Punkten, die das Bundeskabinett zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Juli 2019 beschlossen habe. Dazu zähle, Arbeitsplätze in strukturschwache Regionen zu bringen, Breitband und Mobilfunk flächendeckend auszubauen sowie Mobilität und Verkehrsinfrastruktur in der Fläche zu verbessern. Auch solle eine faire Lösung für kommunale Altschulden gefunden werden. Mit der "ganz klaren Antwort Nein" reagierte er auf die Frage, ob es, bezogen auf gleichartige Lebensverhältnisse, ein Ost-West-Problem gebe, und verwies beispielhaft auf das strukturschwache Ruhrgebiet.

Hilmar von Lojewski (Deutscher Städtetag) strich heraus, dass Strukturschwäche kein Merkmal des ländlichen Raumes sei. Strukturschwäche und Strukturstärke gebe es im ländlichen wie im städtischen Raum. Die Frage der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse müsse sich an den Lebensumständen der Bevölkerung orientieren und Aspekte der sozialen Teilhabe und des Zugangs zu den Leistungen der Daseinsvorsorge zum Inhalt haben. Die gut 20 von der Bundesregierung auf den Weg gebrachten Programme unter einem Schirm seien zielgerichtet. Er mahnte, jetzt ad hoc wieder Änderungen vorzunehmen, würde die Adressaten der Programme nur verwirren.

Uwe Lübking (Deutscher Städte- und Gemeindebund) lenkte den Blick auf einen massiven kommunalen Finanzeinbruch durch die Corona-Pandemie. Besonders dramatisch sei der Einbruch bei der Gewerbesteuer. Das im vergangenen Juni beschlossene Konjunkturpaket sei zu begrüßen. Große Sorge bereite jedoch der Blick auf die kommenden zwei Jahre. Nach wie vor stünden drastischen Mindereinnahmen weiter dynamisch steigenden Ausgaben gegenüber. Bund und Länder stünden mithin in der Pflicht, auch für die Jahre 2021 und 2022 einen kommunalen Rettungsschirm zu spannen - mit jeweils mindestens zehn Milliarden Euro. Zudem sei die Lösung der kommunalen Altschuldenfrage für die Erreichung gleichwertiger Lebensverhältnisse unabdingbar. Er machte auch klar, gleichwertige Lebensverhältnisse bedeuteten nicht gleiche Lebensverhältnisse. Es gebe Menschen, die bewusst aufs Land zögen, aber auch andere, die sich das nicht aussuchen könnten.

Peter Dehne (Hochschule Neubrandenburg) hob hervor, denjenigen, die im ländlichen Raum bleiben, müsse die Politik gute Rahmenbedingungen und Lebensqualität sichern. Das gelte insbesondere für ein gutes, selbstbestimmtes Leben im Alter - wie differenzierte Wohnangebote, Pflege, Gesundheit, Mobilität. Auch müssten attraktive Lebensbedingungen für den Zuzug geschaffen werden. Er hob damit insbesondere auf Familien mit Kindern ab und erwähnte Bildung, Kinderbetreuung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Freizeitangebote und Kultur.

Martin Junkernheinrich (TU Kaiserslautern) setzte sich für eine aufgabengerechte Finanzierung der kommunalen Ebene ein. Er machte einen dringenden Bedarf aus, das Gemeindefinanzierungssystem besser auszugestalten und bestimmte Umwuchten abzubauen. Dazu gehöre eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage bei der Gewerbesteuer. Auch er machte klar, dass das kommunale Altschuldenproblem noch nicht gelöst sei. Die finanziellen Belastungen durch die Corona-Krise würden gewiss zu neuen Liquiditätskrediten führen und müssten bei einer Problemlösung mit berücksichtigt werden.



02. Minister Müller gegen pauschale Reisewarnungen

Tourismus/Ausschuss

Berlin: (hib/WID) Vor dem Hintergrund der aktuellen Corona-Krise hat sich Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) gegen pauschale Reisewarnungen gewandt. "Wir können nicht sagen, die ganze Welt ist Risikogebiet", sagte Müller am Mittwoch vor dem Tourismusausschuss. Den Schaden hätten in erster Linie Entwicklungs- und Schwellenländer, deren Wirtschaft in weit überdurchschnittlichem Maße von Einnahmen aus dem Reiseverkehr abhänge. Diese Länder hätten Anspruch auf eine "faire und gerechte" Risikobewertung.

Müller wies darauf hin, dass viele der betroffenen Staaten erhebliche Anstrengungen zum Infektionsschutz unternommen und dabei Bemerkenswertes geleistet hätten. Länder wie Marokko, Kenia, Namibia, Ruanda verfügten über Hygienekonzepte, die "nicht von vorgestern, sondern auf dem Standard, den wir uns wünschen", seien. Sie seien in mancher Hinsicht "viel effizienter" als vergleichbare Maßnahmen in Europa. Daher sei anstelle unterschiedsloser Reisewarnungen eine "risikobasierte und faktenorientierte Einstufung dieser Länder" geboten: "Es muss eine differenzierte Betrachtung geben," forderte Müller.

Für jedes dritte Entwicklungsland sei der Tourismus die Haupteinnahmequelle, betonte der Minister. So generierten die Malediven auf diesem Wege 60 Prozent ihrer Deviseneinnahmen, die Seychellen 35 Prozent, Tunesien und Namibia jeweils 25 Prozent. Vor diesem Hintergrund werde deutlich, was es für die betroffenen Staaten bedeute, dass in diesem Jahr bis einschließlich August der weltweite Reiseverkehr um 70 Prozent eingebrochen sei. Inselstaaten der Südsee und der Karibik hätten Einbußen um bis zu 95 Prozent hinnehmen müssen. In der Folge seien Milliardenbeträge an Deviseneinnahmen ausgeblieben und Millionen von Arbeitsplätzen weggebrochen. Für die Betroffenen bedeute dies, dass sie mangels sozialer Sicherungssysteme in ihren Ländern vor dem "absoluten Aus" stünden.

Tourismus könne zerstörerische Wirkungen auf Umwelt- und Lebensbedingungen in den Zielländern haben, betonte Müller, der dabei vor allem die Kreuzfahrtbranche in den Blick nahm. Dem gegenüber stünden indes die zahlreichen positiven Effekte nicht nur für Wirtschaft und Beschäftigung, sondern auch für die Bewahrung der Artenvielfalt und der natürlichen Lebensgrundlagen. So sei in vielen Ländern Afrikas der Erhalt von Schutzgebieten und Regenwäldern nur durch Einnahmen aus dem Reiseverkehr zu finanzieren. Folgerichtig sei in der derzeitigen Corona-Krise zu beobachten, dass in Naturparks die Wilderei wieder zunehme, weil die Menschen auf andere Art ihren Lebensunterhalt nicht mehr sichern könnten.

In weiten Regionen des globalen Südens gebe es neben der Corona- längst eine "Hunger-Pandemie", betonte der Minister: "Davon gibt es noch keine Fernsehbilder, deshalb interessiert das niemanden. Das interessiert uns erst, wenn wie jetzt auf den Kanaren Flüchtlinge ankommen. Dann heißt es wieder: Dem Müller muss man Geld geben."



03. Deutscher Nachhaltigkeitspreis: Wertschätzung für die Besten

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung/Ausschuss

Berlin: (hib/HAU) Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis ist laut eines empirischen Überblicks der Universität Hohenheim "der bekannteste und für die Bewerber attraktivste der insgesamt 141 deutschen Nachhaltigkeitspreise". Darauf wies Günther Bachmann, Vorstandsmitglied der Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis e.V., am Mittwoch während eines öffentlichen Fachgespräches des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung hin. Das Veranstaltungsformat des Deutschen Nachhaltigkeitspreises sei einzigartig, so Bachmann. Es kombiniere einen zweitägigen, inhaltlich-diskursiven Kongress mit einer abendlichen feierlichen Verleihung. Das Format lebe von relevanten Inhalten und einem gut durchdachten Programm. "Vor allem lebt es aber von Wertschätzung für die Besten, von der Motivation, die durch die Beispiele für andere ausgeht und nicht zuletzt von großen emotionalen Momenten", sagte Bachmann.

Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis sei ein Multistakeholder-Projekt. Seit 2008 seien insgesamt etwa 150 zivilgesellschaftliche Organisationen und Verbände aktiv an Recherchen, Juryarbeit, Kuratorium und Kongress sowie in Partnerschaften beteiligt gewesen. Mit acht Wettbewerben, über 1.000 Bewerbern und üblicherweise 2.000 Gästen zu den Abschlussveranstaltungen sei er der größte Preis seiner Art in Europa. Gleichwohl, so Bachmann, sei der Deutsche Nachhaltigkeitspreis, obgleich er als etabliert anzusehen sei, nicht stabil. "Finanziell schon gar nicht", konkretisierte er. Jahr für Jahr werde die Finanzierung "auf die Probe gestellt". Über Projektgelder und Sponsoring der Wirtschaft müsse die nötige Summe - mehr als zwei Millionen Euro - eingebracht werden.

Während die Anzahl der Bewerbungen von Kommunen steige, bleibe sie bei den Unternehmen konstant, sagte Bachmann auf Nachfrage. Was die Verteilung auf die verschiedenen Branchen angeht, so sei der Deutsche Nachhaltigkeitspreis ziemlich tief in Branchen, die mit Konsumgütern zu tun haben, verwurzelt. Gewinner im vergangenen Jahr sei der Dübel-Hersteller Fischer gewesen.

Dass andere Branchen nicht zu den Bewerbern gehören, hat laut Bachmann unterschiedliche Gründe. Die Automobilhersteller etwa stünden untereinander in einem so harten Wettbewerb, "dass die vorziehen, sich gar nicht erst zu bewerben, damit sie nicht durchgereicht werden". Die Fleischindustrie wiederum sei aktuell noch "fernab von unseren Themen". Bei den erneuerbaren Energien, so seine Vermutung, liege es daran, dass dies ein abgeschlossener Akteursbereich sei, "der mit dem Thema Nachhaltigkeit noch fremdelt".

Gefragt nach den Effekten, die mit einem Preisgewinn verbunden sind, sagte das Vorstandsmitglied der Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis, ein Monitoring dazu gebe es nicht. Seiner Einschätzung nach überwiegen die internen Wirkungen - wie etwa die Motivation der Belegschaft - die externen Wirkungen.

Bachmann gab auch einen Ausblick auf den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2020, der virtuell sein werde. Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) werden laut Bachmann zu den Gästen der 13. Verleihung des Deutschen Nachhaltigkeitspreises am 4. Dezember in Düsseldorf gehören. Die Finalisten im Wettbewerb um den 13. Deutschen Nachhaltigkeitspreis für Unternehmen stünden fest. Auch 2020 habe es eine Vielzahl an Bewerbern gegeben - entgegen der Befürchtung, dass der Lockdown genau in der Bewerbungsphase zu weniger Beteiligung führt, wie Bachmann feststellte.