Toto über Mexiko:
Feature: Welchen Einfluss hat die Höhenlage auf ein Formel 1-Auto?
Das zurückliegende Rennen in Texas war ein
weiterer Beleg dafür, wie hart umkämpft diese Saison ist. Sie ist eine große
Herausforderung, die beide Teams zu Höchstleistungen antreibt. Der positive
Druck, den wir uns selbst auferlegen, macht diesen Zweikampf umso schöner. Wir
würden es uns nicht anders wünschen.
Lewis hat auf der alternativen Strategie
eine perfekt umgesetzte Leistung gezeigt, um auf diese Weise zu versuchen,
einem sehr schnellen Max den Sieg abspenstig zu machen. Am Ende hat es nicht
gereicht, aber wir wissen, dass wir unser Bestes gegeben haben und Lewis hat
bei seiner Jagd nach dem Sieg niemals aufgegeben. Valtteri fuhr ebenfalls sehr
gut, obwohl er sich durch die Zurückversetzung zunächst in einer schwierigen
Ausgangslage befunden hat. Mit Blick auf die verbleibenden fünf Rennen war es
für uns aber die richtige Entscheidung. Er hat Plätze gutgemacht und einige
Punkte eingefahren, die für uns in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft wichtig
sind.
Wir freuen uns alle sehr darauf, wieder in
Mexiko-Stadt zu sein, einer lebendigen Stadt mit viel Charakter, in der wir
jedes Mal herzlich willkommen geheißen werden. Darauf und auf die fantastische
Atmosphäre an der Rennstrecke freuen wir uns schon sehr.
Red Bull hat sich dort in der jüngeren
Vergangenheit gut geschlagen und es war nicht unbedingt unsere stärkste
Strecke. Aber in diesem Jahr ist alles möglich und Strecken, auf denen man
bislang schwächer gewesen ist, zählen plötzlich zu deinen Stärken und
umgedreht. Das sorgt für ein bisschen Ungewissheit im Vorfeld eines
Rennwochenendes, was zu noch mehr Spannung führt.
Wir blicken von Rennen zu Rennen und
bereiten uns bestmöglich vor, damit wir in Mexiko am Freitag von Anfang an gut
ins Wochenende kommen, ein gutes Verständnis für die Performance des Autos
entwickeln und danach darauf aufbauen können.
Feature: Welchen Einfluss hat die Höhenlage
auf ein Formel 1-Auto?
Während sie in der Hitze eines
Rad-an-Rad-Duells oder bei einem atemberaubenden Kampf um die Pole Position
gerne einmal vergessen wird, ist die Leistung eines Formel 1-Autos und dessen
Fähigkeit, überhaupt zu fahren, größtenteils auf die vielen, vielen
unsichtbaren Luftpartikel zurückzuführen, die um uns herum schweben.
Viele der Formel 1-Strecken, auf denen wir
fahren, liegen ziemlich nahe am Meeresspiegel und im Falle von Zandvoort sogar
sehr nahe, sodass Luftdichte und Höhe ziemlich ähnlich sind. Mexiko ist
allerdings ein Ausreißer. Der Kurs ist der am höchsten gelegene aller
Rennstrecken und liegt mit 2.285 Metern über dem Meeresspiegel fünfmal so hoch
wie die PETRONAS Twin Towers in Kuala Lumpur.
Diese Änderung der Höhenlage hat einen
überraschend großen Einfluss auf viele Elemente eines F1-Autos und verändert
sowohl dessen Leistung als auch dessen Einsatz...
Wie schneidet Mexikos Höhenniveau im
Vergleich zu anderen Formel 1-Strecken ab?
Das Autódromo Hermanos Rodríguez liegt
südöstlich des Zentrums von Mexiko-Stadt, mit einem Umgebungsdruck von nur
780hPa. Der normale Meeresspiegel liegt bei etwa 1.000 hPa, also etwa 20%
weniger. Trotz seiner Höhenlage gehört die Strecke mit einem Höhenunterschied
vom tiefsten zum höchsten Punkt von knapp drei Metern zu den flachsten in der
Formel 1. Das liegt zum Teil daran, dass Mexiko-Stadt im „Tal von Mexiko“ auf
einem ehemaligen Seegrund liegt.
Wenn es um die höchsten Höhenlagen von
Formel 1-Strecken geht, reicht keine an Mexiko heran. Tatsächlich liegt der
Austragungsort in Mexiko-Stadt fast 1.500m höher als die nächste Rennstrecke
auf dieser Liste, nämlich Interlagos, das 800m über dem Meeresspiegel
beheimatet ist.
Das Wetter und die Temperaturen beim Großen
Preis von Mexiko unterscheiden sich zwar nicht sonderlich von anderen
Rennwochenenden, aber die atmosphärischen Bedingungen sind einzigartig und
stellen die Teams vor einige ungewöhnliche Herausforderungen.
Warum hat die Höhenlage einen Einfluss aufs
Auto?
Die Höhe hat einen Einfluss auf alles, was
wir tun. Ob ein Lauf durch Mexiko-Stadt oder ein Turbolader, der Sauerstoff in
den Motor eines Autos pumpt. Das alles hängt mit der Menge der Luftpartikel und
der Dichte der Luft in dieser bestimmten Höhenlage zusammen.
Je höher man sich in der Atmosphäre
befindet, desto dünner ist die Luft. Das liegt daran, dass Luft über ein
Gewicht verfügt und je näher man sich am Meeresspiegel befindet, desto mehr
wird die Luft nach unten komprimiert. Das führt zu einer dichteren Luft und
mehr Luftpartikeln. Auf 2.285m über dem Meeresspiegel herrschen rund 25 %
weniger Luftdichte als auf Meereshöhe. Damit gibt es ein Viertel weniger
Sauerstoff.
Wenn wir über ein F1-Auto sprechen, gibt es
viele entscheidende Faktoren, die dafür sorgen, dass es richtig funktioniert.
Drei davon sind: Aerodynamik, Kühlung und die Power Unit. Diese Elemente werden
stark von der ihnen zur Verfügung stehenden Luftmenge beeinflusst. Weniger Luft
bedeutet deshalb eine abweichende Leistung.
Große Höhen wirken sich nicht direkt auf
das Racing aus. Alle Autos sind gleichermaßen betroffen und die lange Gerade
sowie zwei DRS-Zonen zu einem frühen Zeitpunkt in einer Runde fördern
Überholmanöver. Allerdings sind die Autos von den Auswirkungen der Höhe auf
unterschiedliche Art und Weise betroffen. Damit kommen einige besser und andere
schlechter klar. Das kann die Wettbewerbsordnung in Mexiko durchaus
durcheinanderwürfeln.
Wie wirkt sich die Höhenlage auf die
Aerodynamik des Autos aus?
Wegen der dünnen Luft ist der
Luftwiderstand eines Formel 1-Autos in Mexiko-Stadt viel geringer. Das Auto
muss weniger Luftpartikel aus dem Weg schieben, sodass es die Luft schneller
und mit weniger Unterbrechungen durchschneidet. Deshalb sind die Autos auf den
Geraden in Mexiko derart schnell. Die Höchstgeschwindigkeit ist noch höher als
in Monza (350 km/h), während gleichzeitig mit so viel Flügel gefahren wird wie
in Monaco.
Weniger Luftpartikel haben jedoch auch den
Effekt, dass geringerer Abtrieb erzeugt wird, weil weniger Luft das Auto in
Richtung der Fahrbahn drückt. Tatsächlich beträgt der Abtriebsverlust in Mexiko
aufgrund der Höhe etwa 25%. Daraus resultierend wird die höchste
Downforce-Spezifikation - auf dem Niveau des Monaco-Flügels - genutzt, die
jedoch aufgrund der fehlenden Luftdichte den gleichen Abtrieb (oder sogar etwas
weniger) als der Monza-Flügel erzeugt.
Der aerodynamische Grip ist in Mexiko daher
ziemlich niedrig. Allerdings können wir einen großen Flügel ohne den Nachteil
des Luftwiderstandes fahren, wodurch die Topspeeds sehr hoch sind.
Welche Auswirkungen hat diese Höhenlage auf
die Power Unit?
Würden wir von Saugmotoren sprechen, dann
wäre der Leistungsunterschied auf einer Strecke mit hoher Höhenlage viel
größer, weil Sauerstoff in den Motor gesaugt werden muss, um den
Verbrennungsprozess abzuschließen. Dies würde zu einem Leistungsverlust von 25%
führen. Bei den modernen F1-Power Units kann dies dank des Turboladers jedoch
vermieden werden.
Das liegt daran, dass sich der Turbolader
mit einer unglaublich hohen Geschwindigkeit dreht, um mehr Luft in den Motor zu
pumpen – bei normalen Höhenbedingungen sogar etwa dreimal mehr. Mehr Luft
bedeutet, dass man mehr Kraftstoff einpumpen und somit eine höhere Leistung
erzeugen kann. In Mexiko muss der Turbo härter arbeiten, um die geringere
Luftdichte zu kompensieren. Deshalb dreht er mit einer höheren Geschwindigkeit,
um einen Teil des Leistungsverlusts ausgleichen zu können.
Der Turbo kann allerdings nicht den
gesamten Leistungsunterschied ausgleichen. Den Turbolader einfach mit 20% mehr
Kraft zu betreiben, ist nicht möglich. So viel Spielraum gibt es nicht, denn er
ist für normale Rennbedingungen konstruiert und gebaut worden, nicht aber für
den einzigartigen Umgebungsdruck des Autódromo Hermanos Rodríguez. Es kommt
also noch immer zu einer beträchtlichen Leistungsreduktion der Power Unit. Der
geringere Luftwiderstand hilft aber, diese auszugleichen und die Autos auf der
langen Geraden in Mexiko-Stadt zu unglaublichen Höchstgeschwindigkeiten zu
führen.
In Mexiko kann auch die MGH-U weniger
Energie zurückgewinnen. Geringere Luft im Motor führt zu weniger Power und der
MGU-H stehen deshalb nicht so viele Abgase zur Verfügung, die sie
zurückgewinnen und in nutzbare Energie umwandeln kann. Einige Hersteller werden
je nach Größe des Turbos in ihren Autos und der Anordnung ihrer Power Unit
besser abschneiden als andere.
Und warum wird die Kühlung durch die
Höhenlage beeinflusst?
Die Funktionsweise der F1-Kühlung besteht
darin, dass die kühleren Luftpartikel durch die Kühleinlässe strömen und Wärme
von den Komponenten aufnehmen, bevor sie als heiße Luft aus dem Heck des Autos
abgegeben werden. Durch die Höhenlage wird demnach weniger Luft durch die
Kühler, Lufteinlässe und Kanäle geleitet. Das führt zu einer geringeren
Kühlung, wodurch verschiedene Elemente des Autos, wie die Power Unit und die
Bremsen, heißer werden oder wesentlich größere Kanäle benötigen, um ausreichend
abzukühlen.
Natürlich versuchen die Teams, die
Kühlauslässe des Autos so weit wie möglich zu öffnen, indem sie die
Lufteinlässe und Kanäle vergrößern, um mehr Luftpartikel hineinzuleiten. Das
verringert allerdings die aerodynamische Performance und erhöht gleichzeitig
den Luftwiderstand des Autos. Deshalb muss hier ein Gleichgewicht gefunden
werden.
Das Auto ordentlich zu kühlen, ist die wohl
größte Herausforderung in Mexiko. Bei der Power Unit begrenzt der fehlende
Luftmassenstrom das Kühlungspotenzial. Deshalb braucht es ein sorgfältiges
Management, um die Zuverlässigkeit zu gewährleisten. Eine Überhitzung der
Bremsen kann zu schnellerem Verschleiß oder zu einer Verglasung führen (die
Oberfläche brennt ab und wird glänzend, wodurch sich die Reibung verringert).
Darüber hinaus verursacht das Rotieren des Turbos bei höheren Drehzahlen eine
zusätzliche mechanische Belastung der Turbinen sowie der Verdichtungselemente.
Das sind alles heikle Angelegenheiten, die die Teams berücksichtigen,
überwachen und auf die sie reagieren müssen. All das trägt zur Spannung und der
Herausforderung beim Großen Preis von Mexiko bei.
Text / Foto: Mercedes-Benz
Motorsport