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LAMBSDORFF-Interview: Der Euro ist noch nicht über den Berg

Das FDP-Präsidiumsmitglied und Vizepräsident des Europäischen Parlaments 
Alexander Graf Lambsdorff (Foto) gab der „Frankenpost“ (Dienstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Matthias Will:

Frage: Frankreich will einen Finanzminister für die Eurozone. Wäre das ein Schritt zur Lösung der Probleme der Währungsunion?

Lambsdorff: Aus Sicht der FDP ist der Euro noch nicht über den Berg. Ein europäischer Finanzminister kann helfen, ist aber noch keine Lösung der Krise. Man kann über die Einführung eines solchen Amtes reden, wenn etwa der Vorsitz der Euro-Gruppe und der EU-Währungskommissar zusammengelegt würden. Das könnte durchaus sinnvoll sein. Ein eigenes Budget für die Eurozone, über das der Finanzminister verfügen könnte, sehen wir Liberalen jedoch kritisch.

Frage: Was gefällt Ihnen an dieser Idee nicht?

Lambsdorff: Ein solches Budget wäre eine Art Länderfinanzausgleich auf EU-Ebene. Das trägt nicht dazu bei, die Krise zu überwinden, sondern macht die Anreize kaputt, selber solide zu wirtschaften. Nachhaltige Stabilität schafft nur eine Wirtschaftspolitik, die Wachstum erzeugt, insbesondere in den südlichen Ländern der Eurozone. Die Arbeitslosigkeit in diesen Ländern ist noch immer hoch. Wir müssen gerade den jungen Menschen dort eine Perspektive geben. Aber es gibt noch weitere Punkte, die wichtig sind, um die Währungsunion zu stärken.

Frage: An welche denken Sie?

Lambsdorff: Wir brauchen eine Europäische Zentralbank, die eine normale Zinspolitik machen kann. Im Moment leiden Sparer in Deutschland, in den Niederlanden, in Estland unter den Niedrigzinsen, weil Staaten in Südeuropa ihre Verschuldung nicht in den Griff bekommen und wichtige Strukturreformen nicht ausreichend umsetzen. Um auf Macron zurückzukommen: Frankreich könnte für diese Staaten ein wichtiger Orientierungspunkt sein. Wenn es Macron gelingt, die dortige Wirtschaft zu entfesseln, das Land wieder auf Wachstumskurs zu bringen, dann hätte das eine Vorbildfunktion für Madrid und Rom.

Frage: Deutschland und Frankreich wollen auch die Bemessungsgrundlage für Unternehmenssteuern einheitlich gestalten. Wäre das nicht ein sinnvoller Vorstoß, um die Steuerflucht-Strategien einiger multinationaler Konzerne auszuhebeln?

Lambsdorff: Diese Steuervermeidung der Konzerne ärgert mich maßlos. Die FDP ist die Partei der sozialen Marktwirtschaft. Dazu gehört notwendig der Wettbewerb, weil er Innovation antreibt, bessere Produkte zu bezahlbaren Preise hervorbringt, Arbeitsplätze schafft und so Wohlstand für breite Schichten ermöglicht. Die Menschen akzeptieren den Wettbewerb aber nur, wenn er fair ist. Mit Blick auf die Steuervermeidungstaktik bestimmter Großkonzerne kann davon keine Rede mehr sein. Deshalb unterstützen wir jede Initiative, die dafür sorgt, dass solche Steuerschlupflöcher geschlossen werden. Eine einheitliche Bemessungsgrundlage wäre ein wichtiger Schritt nach vorne. Hier bietet übrigens der Brexit eine Chance ...

Frage: Die Briten haben sich bislang immer dagegen gewehrt.

Lambsdorff: So ist es. Aber es gibt auch ein paar andere Staaten in Europa – Malta, die Niederlande, Belgien, Zypern, Irland und Luxemburg –, die sich da querstellen. Wir als Liberale wollen Steuerwettbewerb. Wir sind gegen einheitliche Steuersätze für Unternehmen in Europa. Aber die Bemessungsgrundlage, also die Basis, die besteuert werden soll, das kann sehr wohl einheitlich geregelt werden.

Frage: Ob Stabilitätspakt oder Flüchtlingskontingente – Vereinbarungen spielen für viele nationale Regierungen offenbar keine Rolle. Untergräbt diese mangelnde Rechtstreue nicht das Vertrauen der Menschen in das gemeinsame Europa?

Lambsdorff: Die EU ist eine Rechtsgemeinschaft. Für die FDP als Rechtsstaatspartei ist völlig klar, dass Regeln eingehalten werden müssen und Verstöße auch sanktioniert werden müssen. Deshalb haben wir auch dieser Kommission nicht zugestimmt. Präsident Jean-Claude Juncker hat mit Pierre Moscovici jemanden zum Währungskommissar gemacht, der sich um Regeln nicht schert. Im Hinblick auf die Verteilung von Flüchtlingen gibt es zwei Aspekte zu berücksichtigen.

Frage: Welche sind das?

Lambsdorff: Die Slowakei und Ungarn haben gegen die vereinbarte Flüchtlingsverteilung geklagt. Der Generalanwalt in Luxemburg hat nun aber in seinem Plädoyer betont, dass beide Länder Flüchtlinge aufnehmen müssen. Wenn sie sich weigern, dann muss der Sanktionsmechanismus greifen, das heißt, beide Staaten müssen Vertragsstrafen bekommen. Eines muss man aber auch sehen: Die EU ist kein Staat, der Zwangsmittel anwenden kann. Wir brauchen da auch etwas Geduld und strategisches Denken. Und seien wir ehrlich: Auch bei uns tun sich im Allgemeinen die östlichen Bundesländer etwas schwerer mit der Aufnahme von Flüchtlingen als die im Westen.

Frage: Wäre nicht die Kürzung von Fördermitteln ein probates Mittel, um Druck auszuüben?

Lambsdorff: Natürlich. Es ist ein schlechter Scherz, dass sich die größten Nettoempfänger in der EU, Polen und Ungarn, aktuell in puncto Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit ein ums andere mal blamieren. Ihr Vorgehen löst zu Recht Ärger bei anderen EU-Staaten aus.

Frage: Sollte die EU am Dublin-Abkommen festhalten, wonach derjenige Staat für die Bearbeitung des Antrags zuständig ist, in den der Asylbewerber zuerst eingereist ist?

Lambsdorff: Nein, das Abkommen passt nicht mehr zu den neuen Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind. Aber das wussten wir schon vorher. Die FDP, aber auch die Grünen, sagen schon seit Jahren, dass eine Reform überfällig ist. SPD und CDU haben sich aber immer geweigert – und dann ist das System 2015 zusammengebrochen, zu unser aller Schaden.

Frage: Was sind Ihre Vorschläge?

Lambsdorff: Zum einen brauchen wir mehr praktische Hilfen für die Länder, in denen die meisten Flüchtlinge ankommen. Das heißt, es muss mehr Personal in den Hotspots, in den Registrierungsstellen geben. Entscheidend ist eine verlässliche und nach europäischem Recht verbindliche Identitätsfeststellung bei der ersten Ankunft des Asylbewerbers. Zum anderen muss es einen Verteilungsschlüssel geben, der sich nach der Wirtschaftskraft des jeweiligen Landes richtet. Es ist unfair, Italien völlig alleine zu lassen. Und es braucht eine konsequente Rückführungspolitik für nicht anerkannte Bewerber.

Frage: Es wird immer wieder beklagt, die EU sei ein Projekt der Eliten. Wie könnte sie bürgernäher werden?

Lambsdorff: Mir liegt besonders ein Projekt für die jungen Europäer am Herzen. Wir, und da sind wir uns mit der EVP einig, wollen allen jungen Menschen in der EU bei Eintritt der Volljährigkeit die Chance geben, Europa kennenzulernen. Dafür wollen wir ihnen ohne Antragstellung ein zeitlich befristetes, kostenloses Interrail-Ticket zur Verfügung stellen, damit sie durch Europa reisen können.

Frage: Wie hoch wäre der finanzielle Aufwand?

Lambsdorff: Bei einer Teilnahme von – optimistisch gerechnet – 60 bis 70 Prozent der insgesamt etwa fünf Millionen 18-Jährigen würden weniger als eine Milliarde Euro anfallen. Es wäre diesen Betrag wert, denn es handelt sich um ein Projekt, das alle Schichten direkt und unkompliziert erreichen würde.